Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

03FEB2025
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„Was glauben Sie, was ich hier alles zu hören bekomme“.  Die Frau hinter der Ladentheke zuckt mit den Schultern. Vorher hatte sich eine Kundin beschwert, dass die Post auch immer teurer werden würde. Dabei hätte sie noch alte Briefmarken zu Hause. Den Einwand, die könne man ja noch benutzen, es gäbe ja Marken um den  fehlenden Betrag zu ergänzen, den lässt sie nicht gelten.  „Die wollte nur Dampf ablassen“, bemerke ich, als ich an der Reihe bin. „Ja, so ist das“ sagt die Angestellte der Postagentur. „Die Leute sind voller Frust und oft auch voller Hass auf alles in der Welt.“  Und ich frage mich, was da passiert ist, dass Menschen so werden.   „Weil alles Mist ist“, antwortet mir ein Bekannter, als ich ihm davon erzähle. Na, vielen Dank, wenn das die Erkenntnis eines Erwachsenenlebens ist. Wohlgemerkt von einem Menschen aus Deutschland, der - in seinem Fall - immer genug Geld zur Verfügung hat, nie gehungert hat und einen Arzt findet, wenn er einen braucht.  Das sage ich ihm auch so. Und ich denke daran, nach welchem Motto meine  Eltern und Großeltern gehandelt haben. Nach dem Satz: Unsere Kinder sollen es mal besser haben.  Die gehörten zu Kriegsgenerationen und wussten, was Entbehrung bedeutet. Und wir? Wir sind diese Kindergeneration und uns geht es auf jeden Fall besser.  Klar, jeder hat seine ganz eigenen Sorgen und Ängste. Und die Probleme und Gefahren auf dieser Welt sind heute andere als damals.  Aber deshalb fauche ich keine Angestellte einer Postagentur an. In meiner Tageszeitung habe ich einen Sinnspruch gefunden, den ich gerne allen mitgeben möchte, die voll Frust, Angst oder sogar Hass  sind. Er stammt vom ehemaligen Berliner Bischof Alfred Bengsch und lautet: „Wir wissen nicht, was das Jahr bringt. Aber wir wissen, dass es jeden Tag eine Gelegenheit bietet, Gutes zu tun.“  Ich finde, das ist eine echte Alternative zum Dampf ablassen.

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