SWR3 Gedanken
In meiner zweiten Klasse erzähle ich den Kindern von der Vesperkirche, also von den armen Menschen, die in die Kirche kommen. Die Kinder erklären mir, dass man den Leuten auf der Straße helfen kann und dass sie das auch tun und wie das in ihren Familien gesehen wird. Bei den einen sagen die Eltern: „Denen geben wir nichts; die geben das sowieso nur für Alkohol aus.“ Bei den anderen: „Ab und zu kann man schon etwas geben. Die haben ja sonst nichts.“
Ich erzähle ihnen auch von einem Mann, der verprügelt wurde, nur weil er auf der Straße lebt, und von einem großen starken Mann gerettet wurde, weil der sich mutig vor ihn gestellt hat. Wie der Mann, der gerettet wurde, am nächsten Tag mit gebrochener Nase in die Kirche kam. Ich bin beeindruckt, wie schnell die Kinder verstehen, worum es da geht.
Sonja meldet sich und erklärt: „Der ist doch genauso viel wert, auch wenn er auf der Straße lebt. Der ist auch ein Mensch!“ Leo will am liebsten die Angreifer verprügeln und meint dann: „Die sind richtig feige. Die wollen den umbringen, der sich nicht wehren kann. Aber vor dem großen Starken sind sie abgehauen!“ Julian sagt: „Weißt du, ich hatte den Arm gebrochen. Jetzt verstehe ich, wie sich das anfühlt, und dann weiß ich auch, wie man anderen helfen kann. Wenn es so weh tut, hat man ständig Angst; dann muss man aufpassen, dass keiner einen anrempelt.“ Ich sage den Kindern, dass sie viel schlauer sind als manche Erwachsene. Die könnten etwas von ihnen lernen!
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