SWR Kultur Wort zum Tag

05FEB2025
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„Ein Ungläubiger schreibt über den Glauben“. Mit diesem Satz beginnt das Buch, das ich gerade zu Ende gelesen habe. Sein Titel „Was vom Glauben bleibt“ hat mich neugierig gemacht. Der Autor, Bernd Stegemann, ist kein Kirchenmann, sondern kommt vom Theater. Er hat Philosophie studiert und als Dramaturg an verschiedenen Theatern gearbeitet.

Also: Wie schreibt ein Ungläubiger über den Glauben? Nach den ersten Seiten habe ich festgestellt: voller Respekt. Und zugleich voller Traurigkeit und Sehnsucht. Er leidet darunter, dass der christliche Glaube in der modernen Gesellschaft zerbröselt. Und Menschen sich aus dem, was davon übriggeblieben ist, aus den „Glaubenspartikeln“, wie er sagt, ein Weltbild nach eigenem Geschmack zimmern. Da steht dann aber nicht mehr Gott im Mittelpunkt. Sondern nur noch das Interesse der verschiedenen Einzelnen, die sich die Rolle Gottes anmaßen.

So entstehen gefährliche Allmachtsphantasien. Der Mensch, der nur noch sein eigenes Spiegelbild als Gegenüber hat, verliert das ihm gesetzte Maß. Und überschreitet seine Grenzen.

Dass der Glaube das verhindern kann, ist mir kürzlich deutlich geworden beim Blick nach Amerika. Und zwar in dem vom Fernsehen übertragenen Gottesdienst anlässlich der Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten.

In ihrer Predigt hat die anglikanische Bischöfin von Washington um Erbarmen und Mitgefühl gebeten. Für die Menschen, vor allem Minderheiten, die von der künftigen Politik des amerikanischen Präsidenten betroffen sein würden.

Mit klaren Worten hat sie als jemand geredet, für die nicht das eigene politische Handeln die letzte Instanz und Richtschnur bildet. Sondern die Verantwortung vor Gott. Die demütig macht.

Eben das ist der Unterschied. Dass ich frei werde von dem Irrglauben, mich ständig selbst beweisen und mich selbst zelebrieren zu müssen. Weil ich aus einer anderen Quelle schöpfe als aus meinem Ego. 

Weil ich auf eine Gegenwart und eine Gemeinschaft hoffe, in der Menschen einander nicht als Rivalen, sondern als Geschöpfe Gottes und Geschwister begegnen. Das ist, glaube ich, was vom Glauben bleibt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41489
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