SWR Kultur Wort zum Tag
Wie mit Verlusten leben? Wenn zu spüren ist, vieles wird nicht so weitergehen wie bisher. Wenn vermeintliche Sicherheiten dahinschmelzen wie Schnee in der Sonne. Wie damit fertig werden, wenn das Gefühl schwindet, dass das Morgen besser wird als das Heute?
Der Soziologe Andreas Reckwitz hat neulich gesagt: „Die Moderne hat kein kulturelles Skript für den Umgang mit Verlusten.“ Kein Drehbuch also für den Umgang mit Verlusten!
Weil wir jahrzehntelang in der Gewissheit gelebt haben, dass alles immer bergauf geht. Dieser Optimismus habe einen Knacks bekommen.
Eine naheliegende Reaktion, die ich auch von mir kenne, ist es, andere dafür verantwortlich zu machen. Andere sind schuld: die Politiker, die Ausländer, sogar die Demokratie. Auf alle Fälle: die anderen.
Ich fände es aber besser, sich selbst zu befragen. Ob da nicht vielleicht auch etwas bei mir falsch gelaufen ist. Ob ich nicht manches in meinem Leben neu bedenken muss. Ob die Werte noch stimmen, die wir für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, für eine gemeinsame Zukunft, brauchen.
Wäre das nicht so etwas wie gesellschaftliche Trauerarbeit? Verluste benennen, aber nicht einfach nur beklagen. Denn es gibt ja Anhaltspunkte für eine neue Ausrichtung, die hilfreich wären in unserer Situation. Ich finde sie auch in der Bibel.
„Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen,“ sagt Jesus einmal. „Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen. Und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.“
Jesus meint damit nicht eine Vertröstung auf eine jenseitige Welt. Sondern er lenkt meinen Blick auf Ziele, die nicht dahinschwinden. Die haltbar sind und gültig bleiben. Auf Haltungen und Überzeugungen, die sich für ein gutes Miteinander in Zukunft bewähren.
Etwa so: Haltet euch nicht auf bei gegenseitigen Vorwürfen! Geht aufeinander zu! Lernt wieder, den Schatz zu entdecken, den ein Mensch für den anderen darstellt! Und stärkt den Zusammenhalt und das Miteinander gerade dort, wo Verluste spürbar werden! Ich glaube, dann kann es gelingen, den Schmerz über Verluste in Hoffnung zu verwandeln.
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