SWR Kultur Lied zum Sonntag
„Lass mich dein sein und bleiben, von dir lass mich nichts treiben!“ Das klingt wie ein Liebesbrief. Und eigentlich ist es auch einer. Nur dass das angesprochene Du nicht ein geliebter Mensch ist. Sondern der “treue Gott und Herr“. Den bittet der Dichter dieses Liedes, nichts möge ihn von ihm trennen. „Lass mich dein sein und bleiben.“
Lass mich Dein sein und bleiben,
Du treuer Gott und Herr;
von Dir lass mich nichts treiben,
halt mich bei Deiner Lehr.
In den Jahren, als ich Auslandspfarrer der deutschsprachigen Gemeinde auf Mallorca war, hat die Gemeinde dieses Lied am Schluss jedes Gottesdienstes gesungen. Mich hat das immer wieder berührt.
Denn wir haben ja alle die Woche über verstreut über die ganze Insel gelebt. Der Besuch des Gottesdienstes, zu dem oft auch Touristen gekommen sind, war dann aber eine gute Gelegenheit, sich zu treffen, Kontakte aufzunehmen oder lebendig zu erhalten. Und miteinander zu feiern.
Vor allem aber: zu wissen, es gibt etwas Bleibendes, das uns verbindet. Ein verlässliches Fundament, das bestehen bleibt und uns Halt gibt. Auch wenn wir bald wieder auseinandergehen.
Lass mich Dein sein und bleiben,
Du treuer Gott und Herr;
von Dir lass mich nichts treiben,
halt mich bei Deiner Lehr.
Herr, lass mich nur nicht wanken,
gib mir Beständigkeit;
dafür will ich Dir danken
in alle Ewigkeit.
Besonders in stürmischen Zeiten braucht man ein festes Fundament. Nikolaus Selnecker, der das Lied im Jahr 1572 gedichtet hat, hat es gefunden. In seinem Vertrauen auf Gott. Und das Gebet war für ihn der Weg, sich dieses Fundamentes immer wieder neu zu vergewissern.
Ich finde es darum schön, dass dieses Lied im evangelischen Kirchengesangbuch zu finden ist. Max Reger, dessen Vertonung wir heute hören, hat ihm allerdings eine andere, nämlich seine eigene Melodie gegeben.
Das ist gut so! Denn, davon bin ich überzeugt, jeder muss seine eigene Sprache und Melodie finden, um seinen Glauben in Worte und Töne zu fassen.
Lass mich dein sein und bleiben.
Herr, lass mich nur nicht wanken,
gib mir Beständigkeit;
dafür will ich Dir danken
in alle Ewigkeit.
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CD: Lebensgebete. Ensemble Thios Omilos. Romantische Vokalmusik aus dem 19. Und 20. Jahrhundert, Rondeau Production 2013, LC 06690
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