Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

28JAN2025
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Der Gang nach Canossa ist sprichwörtlich geworden. König Heinrich der Vierte machte sich im Dezember 1076 auf den Weg zu Papst Gregor dem Siebten, auf den Weg zur Burg Canossa.

Als er Wochen später, am 28. Januar, endlich zum Papst vorgelassen wurde, bat er um Verzeihung und um Aufhebung des Banns, mit dem Papst Gregor ihn belegt hatte.

Tiefer will ich in die Geschichte gar nicht einsteigen, aber ich finde, es ist wichtig zu verstehen, was das Sprichwort eigentlich bedeutet:

Ein Gang nach Canossa ist nämlich ein Bitt- und Bußgang. Wenn jemand sich heute sprichwörtlich nach Canossa aufmacht, dann hat er wirklich Mist gebaut und weiß, es wird nicht leicht sein, dass man ihm verzeiht.

Einen Gang nach Canossa tritt man nicht leichtfertig an und man kann sich nicht sicher sein, ob er erfolgreich sein wird.  Ob man erstens überhaupt die Chance bekommt und „vorgelassen“ wird, um seine Schuld zu bekennen, um deutlich zu sagen: „Ich habe verstanden, ich habe Mist gebaut, es tut mir leid! Bitte entschuldige!“ Und zweitens kann man dann nur noch hoffen, dass man Gnade erfährt.

Warum ich das so ausführlich beschreibe? Weil ich finde, dass man dieses Sprichwort vom Gang nach Canossa heute sehr leichtfertig benutzt.

Aber entschulden, verzeihen kann nur mein Gegenüber. Wenn ich einen Freund beleidigt und beschimpft habe und es tut mir leid, dann sage ich, dass ich falsch gehandelt habe, dass es mir leidtut. Und ich kann nur hoffen, dass er mir dann verzeiht.

So ein Gang nach Canossa, der kann auch schiefgehen, wenn mir nicht verziehen wird. Deshalb ist es mir so wichtig, nicht leichtfertig „Entschuldigung“ zu sagen oder den berühmten Gang nach Canossa anzutreten. Wenn es mir wirklich leidtut und ich weiß, dass nur mein Gegenüber mich entschulden kann, mir verzeihen kann – oder eben auch nicht – nur dann habe ich wirklich verstanden, wie Unrecht mein Handeln war. Nur dann ist es wirklich ein Gang nach Canossa, den ich antrete. Nur wenn ich wirklich verstanden habe, was ich falsch gemacht habe und ich dafür die Verantwortung übernehme – nur dann kann ich die Hoffnung auf Gnade, auf echtes Verzeihen und damit auf einen Neuanfang haben.

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