SWR1 Begegnungen

26JAN2025
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Elisabeth Hofmann

Ich bin Barbara Wurz. Und ich unterhalte mich heute mit Elisabeth Hofmann aus Neustadt an der Weinstraße.  Vor gut zwanzig Jahren haben wir uns bei einer Woche „Kloster auf Zeit“ kennengelernt. Übers Jahr verteilt bietet die evangelische Gemeinschaft „Kirchliche Arbeit Alpirsbach“ solche Wochen an, auf denen jeder Tag strukturiert ist durch Stundengebete – gregorianisch gesungen. Lange bevor wir beide uns getroffen haben, war Elisabeth Hofmann von dieser uralten, klösterlichen Musik fasziniert.

Ich habe mir die erste Woche Gregorianik bei den Alpirsbachern geschenkt, als ich mein Examen hatte, als mein Studium fertig war. (…) Aber das, was ich in dieser Woche erlebt habe, das war so viel, waren so tolle Klänge auch in einem wunder-, wunderschönen Kirchenraum, in dem ich verstanden habe, dass eine Kirche auch ein Musikinstrument ist, wenn man nur einen Klang hinein entsendet.

So viel wie möglich hat Elisabeth Hofmann seither über Gregorianik gelernt. War zu Gast in Klöstern, wo seit Jahrhunderten die Mönchs- oder Nonnenkonvente ihre Tagzeitengebete gregorianisch singen. Und sie hat sich auch wissenschaftlich auf dem neuesten Stand gehalten – auf Kursen des Instituts für Gregorianik an der Folkwang-Universität in Essen. 

Ursprünglich wird auf Latein gesungen – im „Kloster auf Zeit“ der kirchlichen Arbeit Alpirsbach aber auf Deutsch. Eine echte Herausforderung, wie die Lateinlehrerin Elisabeth Hofmann weiß:

Melodien, die dann das Gregorianische ausmachen, legen sich über die lateinische Sprache rüber und sie (…) füllt die Gedanken der lateinischen Sätze, füllt sie aus mit ihren Klängen und baut zum Beispiel ein Jerusalem mit allen seinen Mauern und Türmen, (…) und man hat ein tolles Bild vor sich. Und jetzt habe ich aber das Problem: Wie kriege ich diesen Turm auf Deutsch wieder unter diese Noten? Das, dass er wieder so schön auf aufgebaut wird und das ist wieder ein Bild wird für die, die es auf Deutsch singen. Das ist gar nicht so einfach.

 Als Kantorin übt Elisabeth Hofmann die Gesänge ein. Aber nicht wie für eine Aufführung, bei der ein Publikum zuhört wie ein Chor singt. Es geht ihr darum, dass Text und gregorianische Melodie eins werden. Und sich für die Gemeinschaft der Sängerinnen und Sänger ein ganz eigener Raum für öffnet, der biblischen Botschaft zu begegnen. Deshalb auch Deutsch statt dem ursprünglichen Latein.

Also zwei Chöre sitzen sich gegenüber und werfen sich quasi musikalisch die Bälle zu. Ein Chor singt einen Psalm Vers,  der zweite Chor antwortet mit dem zweiten Psalm Vers, (…)das heißt man singt Antiphon mal, also gegentönig sozusagen, und wirft sich die (…) die musikalischen Bälle zu. Das heißt aber, wenn wir zusammenkommen, müssen wir uns sehr aufeinander einlassen. Wir können nicht einfach vor uns hin singen oder große Solisten sein, sondern wir müssen immer den anderen zuhören.

Elisabeth Hofmann und ich haben uns vor gut zwanzig Jahren auf einer Woche „Kloster auf Zeit“ gleich zu Jahresbeginn kennengelernt. Ich eine junge Pfarrerin aus Baden-Württemberg, Elisabeth Hofmann, Lehrerin für Latein und Ethik, leidenschaftliche Sängerin, die ursprünglich aus Eisenach stammt. Typisch für die Veranstaltungen der „Kirchlichen Arbeit Alpirsbach. Auch, dass wir seither tief miteinander verbunden sind – obwohl wir uns fast nur zu Jahresbeginn sehen – eben in „unserer“ Woche „Kloster auf Zeit“.

Gregorianik ist ganz sicher irgendeine Insel, auf die man sich verschlagen kann. Aber (…) wenn ich in die Gesichter sehe, die sich am Ende dieser Woche von mir verabschiedet haben, dann sehe ich da ganz viel Kraft und Ruhe, die mir entgegen strahlt - und auch große Dankbarkeit (...) -  am Anfang eines Jahres, wo die Menschen mit Hoffnung in das Jahr hineingehen, aus dieser Woche heraus. (...)Die Kraft, die ich da spüre, die ist – unglaublich.

Eine Kraft, wie sie wahrscheinlich nur eine echte Gemeinschaft hervorbringen kann. Auf den Gregorianik-Wochen der kirchlichen Arbeit Alpirsbach kann man Menschen treffen, die seit Jahren oder sogar Jahrzehnten dazu gehören. Andere kommen ab und zu, manche natürlich auch nur einmal.

Also die kirchliche Arbeit Alpirsbach selber ist quasi auch wie ein Kloster mit Brüdern und Schwestern, (...) und es ist ein virtuelles Kloster, das heißt, Menschen aus Hannover, München und Stuttgart treffen sich an bestimmten Stellen für eine Woche oder zehn Tage, um Kloster auf Zeit zu leben.

Es scheint etwas aus der Zeit gefallen: in einer klösterlichen Gemeinschaft gregorianisch zu singen. Und obendrein gehört zu jeder Woche auch noch dazu, über ein Thema aus Kirche und Gesellschaft zu diskutieren und miteinander ins Gespräch zu kommen. Aber eigentlich ist es eher, als würden die Teilnehmer auf einen alten Schatz stoßen. Auf die Kraft einer uralten Tradition, durch die eine Gemeinschaft entsteht, die trägt – auch übers Ende einer Woche „Kloster auf Zeit“ hinaus.

Selbst Kursteilnehmer(…), die sonst gar nichts, gar nichts mit einem sonst tun haben, öffnen sich am Schluss und zeigen, dass sie doch ganz viel mit mir zu tun haben und ich mit ihnen. (...) Das schafft das Stundengebet, das schaffen diese, diese uralten Formen. Ja, das schafft Nähe und gibt Kraft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41473
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