SWR Kultur Wort zum Tag

25JAN2025
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Wie viel Einheit braucht eigentlich eine Religionsgemeinschaft, wie viel Verschiedenheit verträgt sie und worin liegt eigentlich die größere Stärke? Das sind Fragen, mit denen sich das Christentum seit seinen Anfängen auseinandergesetzt hat. Die katholische Kirche beschwört bis heute den Gedanken der Einheit. Es kann nur eine allgemeine Kirche geben. Die protestantischen Kirchen – der Plural macht es schon deutlich -praktizieren dagegen ein Modell der individuellen Verschiedenheit. Unübersichtlich ist ihre Zahl. Die orthodoxen Kirchen hüten seit tausend Jahren ein göttliches Geheimnis. Und die charismatischen Kirchen überlassen diese ganzen Fragen getrost dem Wirken und Wehen des Heiligen Geistes.

Wer in dieser Vielfalt nach so etwas wie einem kleinsten gemeinsamen Nenner sucht, nach irgendetwas, bei dem sich alle einig sind, muss weit in der Geschichte zurückgehen. 1700 Jahre. Bis ins Jahr 325. An der Spitze des römischen Reichs, das die europäische Welt beherrscht, steht Kaiser Konstantin. In seiner Regierungszeit wird das Christentum von einer geduldeten und teilweise immer noch verfolgten Religion zu einer staatlich geförderten.

Im Jahr 325 hat Konstantin ein Konzil einberufen; mehr als 200 Bischöfe kommen nach Nicäa zur ersten ökumenischen Vollversammlung der Weltgeschichte. Es geht um theologische Streitfragen. Und es geht auch um die Macht. Der Kaiser kann eine zerstrittene Kirche nicht gebrauchen; er will Stabilität und innere Sicherheit. Unter historischen Gesichtspunkten kann man das nüchtern und auch kritisch betrachten.

Herausgekommen ist aber auch ein Dokument von großer Schönheit und Kraft. Das Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel. Ein Text, der formuliert, was Christen auf der ganzen Welt im Innersten zusammenhält. Zum Beispiel: „Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater …

Sie glauben das nicht? Finden es nur schwer verständlich? Oder eigentlich auch gar nicht so wichtig? Umso besser. Denn dann kann das Gespräch ja weiter gehen. Solange es nicht versiegt, bleibt christlicher Glaube lebendig zwischen Einheit und Verschiedenheit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41464
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