SWR Kultur Wort zum Tag

23JAN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Nur noch vier Wochen bis zur vorgezogenen Bundestagswahl. Es ist auch nicht mehr zu übersehen. Von allen Laternenpfosten grüßen Parteien, Porträts, Parolen. Ich würde gern ein Plakat dazu hängen. Mit folgendem Text:

„Ihr wisst: Diejenigen, die als Herrscher der Völker gelten, unterdrücken die Menschen, über die sie herrschen. Und ihre Machthaber missbrauchen ihre Macht. Aber bei euch ist das nicht so: Sondern wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. Und wer von euch der erste sein will, soll der Diener von allen sein.“

Das ist der Auszug aus einer Rede, die Jesus gehalten hat. 2000 Jahre alt. Er wirbt darin nicht für eine bestimmte Partei, sondern für ein grundsätzliches Verständnis von Herrschaft. Seiner Haltung zugrunde liegt eine bittere Erfahrung: Machthaber missbrauchen ihre Macht. Das ist leider auch heute noch möglich. Selbst in Ländern, in denen alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und Machthaber durch freie Wahlen an die Macht gekommen sind. Aber dieses demokratische Prinzip scheint kein Garant mehr dafür zu sein, dass gewählte Amtsinhaber die ihnen auf Zeit verliehene Macht nicht missbrauchen, um Eigeninteressen zu verfolgen und Andersdenkende zu unterdrücken.

„Aber bei euch ist das nicht so“, sagt Jesus, als wäre es ein leichtes. Und klingt doch wie eine Beschwörung. Wie ein Auftrag. Zumindest wie eine Bitte: Ihr Wählerinnen und Wähler habt es jetzt in der Hand, Eure Stimme denen zu geben, die Macht im Dienst der Menschen verstehen und Herrschaft als Dienst ausüben. Die sich etwas anderem verpflichtet wissen als dem eigenen Größenwahn.

Jesu Rede endet im Markusevangelium mit den Worten: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen. Im Gegenteil: Er ist gekommen, um anderen zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele Menschen.“ Bescheiden spricht er von sich in der dritten Person. Bezeichnet sich als Menschensohn, nicht als Landesvater. Und steht nicht nur mit seinen Überzeugungen, sondern mit seinem ganzen Leben bis zum Schluss für dieses Prinzip ein: Herrschaft ist Dienst.

Wir haben es in der Hand, die Macht, die vom Volk ausgeht, bei der kommenden Bundestagswahl denen anzuvertrauen, die sich in Dienst nehmen lassen. Hoffentlich täuschen sie uns nicht. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41462
weiterlesen...