Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
In unserem biblischen Wochenabschnitt aus dem zweiten Mosebuch, Schemot, erreicht die Geschichte vom Auszug aus Ägypten ihren Höhepunkt. Die Kinder Israels haben ihre Sachen gepackt und sind bereit zum Auszug. Da spricht G-tt zu Moses: „Dieser Monat soll für euch der Anfang der Monate sein. Er soll für euch der erste Monat des Jahres sein.“ (2.B.M. 12:2)
Warum ist von all‘ den 613 Geboten, die unserem jüdischen Volk gegeben wurden, ausgerechnet das erste Gebot, einen Kalender festzulegen? Sozusagen eine Zeitrechnung, die mit der Befreiung von der Sklaverei und dem Auszug aus Ägypten beginnt?
Vor 500 Jahren lebt im heutigen Italien Rabbiner Obadja Ben Jacob Sforno. Er weist darauf hin, dass im hebräischen Originaltext das Wort „lachem“ steht, zu Deutsch „für euch“. Die Worte „Dieser Monat soll für euch der Anfang der Monate sein“ sagen, dass die Kinder Israels in der Freiheit einen anderen Begriff und ein anderes Verständnis von Zeit haben werden. Rabbiner Sforno schreibt: „Von nun an werden die Monate euch gehören…. Im Gegensatz zu den Tagen der Sklaverei, als eure Tage nicht euch gehörten, sondern dem Dienst und dem Willen anderer unterworfen waren. Deshalb ist dies für euch der erste der Monate des Jahres. Denn mit ihm beginnt eure freie Existenz.“ Rabbiner Sforno bemerkt, dass für einen Sklaven Zeit keine Bedeutung hat. Denn die Bedeutung von Zeit liegt nicht darin, dass sie einfach so vergeht, sondern eben darin, was wir tun, während sie vergeht. Nur wenn wir die Freiheit der Wahl haben, hat Zeit für uns eine Bedeutung.
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