SWR4 Abendgedanken

30JAN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die Einschulung meiner Enkelin rückt immer näher. Sie kann es kaum erwarten und feiert den 6. Geburtstag in diesen Tagen schon mit großer Vorfreude auf die Schule. Mich rührt dieser neugierige Eifer! Ich denke immer wieder daran, wie gut das ist: Dass kein Mädchen in Westeuropa darum betteln muss, lesen und schreiben zu lernen. Es ist Pflicht! Alle müssen zur Schule! Kein Vater oder Bruder darf darüber entscheiden, ob ein Mädchen lernen darf oder nicht. Das ist so selbstverständlich, und es ist so gut! Jedes Kind muss lernen dürfen. Fürs ganze Leben. Aber es war ein langer Weg bis dorthin. Zum Glück gab es immer Menschen, die wussten, wie wichtig Bildung ist. Auch die Bildung der Mädchen und Frauen. Die Engländerin Mary Ward war so eine Person, die hat sich für Mädchenbildung stark gemacht. Vor 400 Jahren.

Ihre Grundüberzeugung war: Gott hat auch den Frauen einen Verstand gegeben! Das wollten viele nicht hören. In Adelsfamilien vielleicht erhielten Töchter manchmal Privatunterricht. Aber normale Bürgersfamilien hatten dafür kein Geld. Also brauchte es für Mädchen öffentliche Schulen. Mary Ward setzte sich dafür ein. Die Kirchenmänner ihrer Zeit haben das erst einmal erfolgreich verhindert, sie wurde bevormundet, abgelehnt, lächerlich gemacht. Wie eine Löwin hat Mary Ward für die Bildung von Frauen und Mädchen trotzdem weitergekämpft. Allmählich haben sich „Die englischen Fräulein“, wie ihr Orden lange genannt wurden, dann doch durchgesetzt. In ihren Schulen unterrichteten selbstbewusste Lehrerinnen selbstbewusste Schülerinnen, so wollte es Mary Ward. Von ihrem Kampf vor 400 Jahren profitieren kleine und große Mädchen in Westeuropa noch heute. Auch meine Enkelin.

Aber anderswo ist es noch lange nicht so. Da entscheiden immer noch Väter und Brüder darüber, was Mädchen tun und denken dürfen. Es gibt genug Religionswächter, die sie dazu anstacheln. Und Familienoberhäupter, Clanchefs. Sie haben von ihrer Warte her gute Gründe: Wer lesen und schreiben kann, kann auch seine Rechte nachlesen und stellt möglicherweise vieles von dem in Frage, was bisher gegolten hat. Das bringt Unruhe in die gewohnten und bequemen Abläufe. Es gibt leider noch genug Mütter, die dabei zusehen, wie ihre Töchter unwissend gehalten werden.  Weil sie die Unruhe fürchten. Das alles ist himmelschreiendes Unrecht. Und braucht noch viele Menschen wie Mary Ward, die für gleichberechtigte Bildung kämpfen. Vor allem für die Bildung von Frauen und Mädchen! Überall!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41436
weiterlesen...