Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Am Eingang der Stuttgarter Eberhardskirche trifft man auf einen Stolperstein ganz eigener Art: Ein mächtiger Quader – aus der Kirchenmauer herausgebrochen – ragt quer in den Fußweg und gebietet Halt. Blickt man nun in die Mauernische hinein, steht man Aug in Aug dem früheren Staatspräsidenten und Widerstandskämpfer Eugen Bolz gegenüber. Die bronzene Büste lässt erkennen, was ihm Hitlers Folterknechte an Schmerz und Schmach zugefügt hatten, bevor er auf den Tag genau – heute vor 80 Jahren – in Berlin-Plötzensee ermordet wurde.
Im Jahr 1881 in Rottenburg geboren, trat Eugen Bolz als junger Jurist der christlichen Zentrumspartei bei, wurde Abgeordneter im Landtag von Württemberg, später Justiz- und Innenminister und Staatspräsident.
Mit der Machtübernahme 1933 drängten ihn die Nazis aus dem Amt. Im Juni desselben Jahres inszenierten faschistische Horden auf Geheiß von oben vor St. Eberhard in Stuttgart einen Volksauflauf. So konnte man den bekennenden Christen nach der Messe vor aller Augen verhaften und auf dem Hohenasperg in „Schutzhaft“ nehmen.
1941 kam Eugen Bolz mit dem Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler in Verbindung. Man hatte ihn nach dem Umsturz für ein Ministeramt vorgesehen. Als 1944 das Attentat auf Hitler missglückte, wurde Bolz als „Mitwisser“ verhaftet und vom tobenden Blutrichter Freisler zum Tode verurteilt.
Für mich ist das Denkmal vor St. Eberhard ein doppeltes Mahnmal: Da hat einer die Kirchenmauer von innen aufgesprengt. Der christliche Glaube lässt sich nicht in Domen und Kathedralen verwahren. Er drängt hinaus in die Gesellschaft. „Politik ist für mich nichts anderes als praktische Religion“, bekannte Eugen Bolz.
Und das zweite Vermächtnis: „Der Nationalsozialismus ist rein heidnisch und eine Zusammenarbeit mit diesem unmöglich“, so Eugen Bolz wörtlich.1) Das will ich den Christenmenschen ins Stammbuch schreiben, die heute mit rechtsradikalen Wiedergängern sympathisieren. Wer sie wählt, wird zum Steigbügelhalter.
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1) Bolz in einer Rede in Ehingen im Oktober 1923 lt. Kompetenzzentrum für geschichtliche Landeskunde im Unterricht (KM) www.landeskunde-bw.de
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41421