Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22JAN2025
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In der Wertschöpfungskette der Wirtschaft rangiert die menschliche Arbeit an erster Stelle. Sie verwandelt das „tote Kapital“ der Anteilseigner in Güter und Dienstleistungen und erzeugt so den gewünschten „Mehrwert“. Solange es gut geht….

Was aber, wenn nun diese verdammten Kriege in der Welt die Lieferketten unterbrechen, die Energie verteuern, die Absatzmärkte ruinieren? Oder wenn ein brutaler kapitalistischer Vernichtungswettbewerb ganze Unternehmen zum Absturz bringt? Dann ist die Arbeit plötzlich nichts mehr wert, und man kann sich nicht schnell genug von ihr trennen.

Daher zittern und zagen viele Beschäftigte zurzeit wieder um ihre Arbeitsplätze. Massenhaft werden Stellen abgebaut, Betriebe umstrukturiert, geschlossen oder ins Ausland verlagert.

Hört die Wert-schätzung auf, wenn die Wert-schöpfung entfällt? Da haben sich Menschen oft jahrzehntelang eingebracht mit Mühe und Fleiß, mit ihrer Verantwortung und ihrem Können. Und nun werden Leistungserbringer über Nacht zu „Leistungsempfängern“ degradiert. Geraten auch in seelische Not, wie ich als Betriebsseelsorger immer wieder erfahre. Sich nicht mehr gebraucht zu fühlen, sondern nur noch zur Last zu fallen – das tut weh!.

Ich appelliere zuerst an die Arbeitenden selbst: Verkauft euch nicht unter Wert! Steht solidarisch zusammen und kämpft mit euren Gewerkschaften um jeden einzelnen Arbeitsplatz! Oft werden Stellen abgebaut, die Arbeit aber bleibt und wird auf noch weniger Schultern verteilt. Lasst euch ja nicht auseinanderdividieren! Wo kein Betriebsrat existiert, wird es höchste Zeit, einen solchen zu wählen. Sonst guckt man bei Konkurs auch noch ohne Abfindung in die Röhre.

Ich appelliere aber auch an die Arbeitgeber: Es geht nicht an, dass man Menschen entlässt und weiterhin fette Vorstandsgehälter bezieht und milliardenschwere Dividenden ausschüttet. Derweil Klein- und Mittelständler oft ihr eigenes Vermögen angreifen, um ja keine Kündigungen aussprechen zu müssen.

Wenn die Wertschöpfungskette reißt – warum auch immer – darf man die Wertschätzung nicht unterbrechen. Denn die menschliche Arbeit, betont die christliche Sozialethik eindringlich, ist allemal wertvoller als Kapital.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41420
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