Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21JAN2025
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„Ich bin beschenkt worden mit der Gabe, glauben zu können. Gott nenne ich meinen Vater, Jesus seinen Sohn, und der Heilige Geist ist für mich eine wirkende Kraft. Ich glaube übrigens auch, dass es unheiligen Geist gibt, und dass der in unserer Welt wirkt – nichts Gutes, wie ich meine." 

Es ist ein älterer Mann, der mich nach dem Gottesdienst anspricht und von seinen Glaubenserfahrungen erzählt: „Von manchen Zeitgenossen", sagt er, „werde ich betrachtet, als sei ich intellektuell ein wenig minderbemittelt. Sie bemitleiden mich als rückständig, irgendwie nicht ganz auf der Höhe der Zeit, weil Kirche mir noch immer wichtig ist.“

Ja, die Sprache der alten biblischen Texte sei oft ungewohnt, meint er, aber sie bedeuteten ihm mehr als zeitgeistige Floskeln. „Es gibt Freunde“, fährt er fort, „die das nicht verstehen können. Sie lehnen ab, was sie gar nicht kennen, und ihnen scheint lächerlich, woran ich glaube. Ich sei wohl hinter der Aufklärung stecken geblieben, meinte einer, obwohl ich doch ansonsten normal sei."

Manchmal habe er das Gefühl, meint mein Gesprächspartner, sich für seinen Glauben rechtfertigen zu müssen. Er sei kein besserer Mensch oder klüger als der Durchschnitt, aber er denke doch, dass er etwas habe, was andern abgeht: nämlich ein Gegenüber, das ihn über sich selbst hinausweist.

„Immer bloß sein eigener Herr sein zu müssen, immer selbst die Spitze der Weisheit und Erkenntnis darzustellen, das kommt mir eng vor", sagt der Mann und ergänzt: „Ich brauche etwas Größeres als mich, jemand der väterlich und wohlwollend über mir steht. Ein Gegenüber, dem ich mich rückhaltlos anvertrauen kann und das mich oft auch infrage stellt. Mir tut es auch gut, wenn ich an IHN abgeben kann, was für mich allein zu groß und zu schwer ist."

Solche Gespräche wie dieses, fordern und beschenken mich als Seelsorger. Ich stehe ja nicht drüber, weiß als Pfarrer nicht automatisch mehr als die andern Gotteskinder.

Aber gerne wiederhole ich die Worte, die meinem Gesprächspartner so wichtig waren: „Es ist ein Geschenk, glauben zu können. Das bringt Tiefe ins Leben, Geborgenheit, Liebe."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41419
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