SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

19JAN2025
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Kirchensprache kann gelegentlich Allergien auslösen. Ebenso wie Politikersprech: Eine Wortwahl, die zuweilen nervt, weil sie sich abgenutzt hat durch übermäßigen Gebrauch, und die weitgehend kraftlos geworden ist durch sattsam bekannte Worthülsen, floskelhafte Wendungen, sinnentleerten Wortnebel.

In unseren kirchlichen Kreisen liebt man zum Beispiel Sätze, die beginnen mit: Wir müssen … oder – etwas weichgespülter – wir dürfen …. Beziehungsweise: Wir dürfen nicht … Man kann dann beliebig anhängen, was gerade passt.

Da heißt es dann oft: Wir müssen hoffen. Wir müssen vertrauen. 

Wir dürfen unsere Zuversicht nicht verlieren, wir dürfen neuen Mut fassen.

Das haben Sie auch alle schon mal so oder ähnlich gehört.

Wie gesagt, das kann nerven. Auch wenn der Inhalt vielleicht nicht falsch ist, so stören doch die mitgedachten Ausrufungszeichen solcher Sätze.

Es kann eine allergische Reaktion hervorrufen, wenn man dauernd was soll. Diese gut gemeinten Leerformeln, diese verordnete Aufforderung zum Positiven passt halt sehr oft einfach nicht. Nicht zu den eigenen Erfahrungen, nicht zur aktuellen Lebenssituation, nicht zu den persönlichen Glaubenswegen. Sie scheint mir auch nicht stimmig im Hinblick auf die psychologische Grundausstattung der Spezies Mensch: Liebe und Mitgefühl können nicht verordnet werden. Mut und Zuversicht auch nicht. Vertrauen in die Zukunft entsteht nicht dadurch, dass man in der Predigt dazu aufgefordert wird. Hoffnung lässt sich nicht herbeireden.

Ich möchte sagen: Du lebst in der Freiheit der Kinder Gottes und musst erst mal gar nichts. Nichts leisten, nichts beweisen, nichts dir aufzwingen lassen.

Ich meine, allen, die predigen und allen, die zuhören tut es gut, wenn Sprache kraftvoll und ehrlich ist. Etwa so wie die Worte der Psalmen oder des Propheten Jesaja. - Mir jedenfalls ist eine alte Wahrheit stets lieber als eine moderne Sprechblase.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41417
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