SWR1 3vor8
Instagram oder Facebook-Gruppen geben ihren Nutzern fast immer Verhaltensregeln fürs Posting mit: die sogenannte Nettiquette – kennen Sie vielleicht. Oder in der Schule - da hängen manchmal die Klassenregeln an der Wand: Verhaltensregeln für ein respektvolles Miteinander.
Der Bibeltext, der heute in vielen evangelischen Gottesdiensten im Mittelpunkt steht, ist auf den ersten Blick auch eine Art Liste von Verhaltensregeln. Er stammt aus einem Brief, den der Apostel Paulus an die frühen Christen in Rom geschrieben hat. Allerdings: Laut gelesen und in einer modernen Übersetzung scheint es doch um etwas anderes zu gehen als bloße Nettiquette. Hören Sie einen Auszug von dem was Paulus da aufzählt: (aus Römer 12 nach der Übersetzung von Oda Wischmeyer)
9 Die Liebe sei ungeheuchelt. Verabscheut das Böse, hängt dem Guten an. 10 In der Bruderliebe – oder Geschwisterliebe - seid einander herzlich zugetan. (...)Im Geist seid brennend. Dem Herrn dient. 12 In Hoffnung seid fröhlich, in Trübsal geduldig, im Gebet beharrlich, (...)
Nein. Das ist keine Aufzählung oder Liste von Verhaltensregeln für Mitglieder der römischen Gemeinde frei nach dem Motto: „Wenn Du hier Mitglied wirst, dann sind das die Regeln, die an der Wand hängen.“ Der christliche Glaube war für römische Bürger vor fast 2000 Jahren ja etwas völlig neues. Und Mitglied einer Gemeinde zu werden ein großer Schritt - ein Schritt aus Überzeugung, und die krempelt die innere Haltung eines Menschen um. „Die Liebe sei ungeheuchelt“ schreibt Paulus, also keine routinemäßige Freundlichkeit, kein ordentlicher Umgang mit anderen Gemeindegliedern – sondern lebendige und brennende Liebe.
Oder wenn er schreibt: „In Hoffnung seid fröhlich, in Trübsal geduldig, im Gebet beharrlich...“ Dann beschreibt er ein Lebensgefühl: von Glauben und Vertrauen auf Gott getragen! Selbst in noch so schweren Zeiten: Fröhlich hoffen, die Geduld nicht verlieren und dran bleiben an Gott, beten...
Ob mich mein eigener Glaube selbst so umkrempelt? Frage ich mich angesichts der eindringlichen Worte von Paulus... Ich möchte das gerne zulassen. Möchte gerne auf Gott vertrauen und mich von der inneren Haltung packen lassen, die Paulus in seinem Brief beschreibt:
„Im Geist seid brennend. Dem Herrn dient. In Hoffnung seid fröhlich, in Trübsal geduldig, im Gebet beharrlich, (...) Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden. Seid eines Sinnes untereinander. (...)“
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