SWR4 Abendgedanken
Und wieder ist mein Schlüssel weg. Dabei lege ich ihn eigentlich immer an denselben Ort, wenn ich nach Hause komme. Oben auf’s Regal beim Eingang. Nur, da war er am Morgen nicht. Also beginnt das große Suchen. Schlafzimmer, Küche, Badezimmer und wieder von vorn. Ich ärgere mich über mich selbst. Ich weiß: Irgendwann findet sich zwar mein Schlüssel immer wieder - und sei es in meiner eigenen Hosentasche.
Ich frage mich: Warum habe ich ihn nicht oben auf das Regal gelegt, wo er hingehört?
Manchmal scheint es mir, dass ich nicht nur meinen Schlüssel verlegt habe, sondern im Trubel des Alltags und der Aufgaben ein Stück weit auch mich selbst. So viele Dinge stehen an, so viel scheint getan werden zu müssen. Die Liste der Dinge, die zu tun sind, hört nicht auf, und hier und da rutschen dann noch unerwartete Anfragen und Anforderungen von der Seite rein. Bin ich dann eigentlich noch bei der Sache, die ich gerade mache, oder sind meine Gedanken ganz woanders? Das Rattern und Ordnen in meinem Kopf scheint an manchen Tagen nicht aufhören zu wollen. Selbst dann, wenn ich abends nach Hause komme. Kein Wunder, dass der Schüssel am Morgen nicht mehr an seinem angestammten Ort ist.
Von Jesus erzählt die Bibel, dass er sich immer wieder zurückgezogen hat, raus aus dem Trubel und weg von den Menschen, die ihn hören und sehen wollten. Nur eine Nebensache in den Jesuserzählungen, habe ich früher gedacht. Aber mittlerweile sehe ich das anders. Und ich habe ich mir jetzt vorgenommen, bei jedem Ankommen zu Hause meinen Schlüssel ganz bewusst abzulegen. Ich bin jetzt zu Hause. Dafür nehme ich mir einen Moment Ruhe. Die drei Engel, die bei uns im Flur stehen, habe ich zu meinen Komplizen gemacht. Erst wenn ich sie angelächelt habe, bin ich angekommen. Jetzt bin ich voll und ganz zu Hause. Solches Umschalten und solche Momente sind mir wichtig geworden, um jeweils ganz da zu sein, wo ich bin. Zu Hause, bei meinem Gegenüber, bei meiner jeweiligen Aufgabe. Die Bibel erzählt, dass Jesus sich sogar ganze Auszeiten genommen hat – um immer wieder in sich hinein- und auf Gott zu hören. Von ihm kann man lernen, sich nicht selbst zu verlieren, sondern ganz im Hier und Jetzt zu sein.
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