SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

12JAN2025
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Auf einer kleinen Wanderung am Ufer der Weser entlang ist mir so richtig klar geworden: So ein Fluss ist ein echtes Hindernis in der Landschaft. Am gegenüberliegenden Ufer hatte ich nämlich ein kleines Gasthaus gesehen: Ein Mittagessen nur einen Katzensprung entfernt – und trotzdem unerreichbar für mich.

Es war vor ein paar Jahren im Frühjahr eine Fußgänger- und Fahrradfähre angeschrieben. Ans andere Ufer wäre ich also schon gekommen – aber ich hätte dann den einen Kilometer auch wieder zurück laufen müssen zum Gasthaus. Ach nö… Ich habe mich ein paar Schritte weiter auf eine Bank gesetzt, habe mein Käsebrötchen ausgepackt und habe meine Gedanken treiben lassen: Auf den ersten Blick hat die Weser recht ruhig vor mir gelegen. Aber in Wirklichkeit fließt das Wasser dort ganz schön schnell. Und die kleinen Wirbel auf der Wasseroberfläche lassen einen ahnen, wie stark die Strömung darunter sein muss.

Flüsse sind gefährlich – erst recht in früheren Zeiten, als es noch nicht alle paar Kilometer eine Brücke gegeben hat oder Viehhirten auf flache Furten angewiesen waren, um ihre Kühe oder Schafe sicher ans andere Ufer zu bringen.

Und wenn ich an meine Wanderung am Flussufer entlang zurückdenke, dann verstehe ich auch die Geschichte aus der Bibel gleich viel besser, in der es heute - am ersten Sonntag nach Drei-König, dem Erscheinungsfest – in vielen evangelischen Gottesdiensten geht. Da wird erzählt, wie das Volk Israel auf der Suche nach einer neuen Heimat den Jordan überqueren musste – wohl gemerkt: ein ganzes Volk: Männer, Frauen, Alte, Junge, Kinder, Hunde, Hühner, Ziegen, Esel… Und allen voran Josua, der Mann, der von Gott den Auftrag bekommen hatte, das Volk ans Ziel zu bringen: in ihre neue Heimat.

Ach ja – noch etwas musste mit hinüber über den Jordan. Hinüber ans andere Ufer: Die Bundeslade. Der hölzerne Kasten mit den zehn Geboten, an langen Tragestangen befestigt: Der schlichte Kasten barg DAS Zeichen für den Bund, den Gott mit Israel geschlossen hatte. Das Zeichen, dass sie trotz aller Widerstände und Widrigkeiten, die sich ihnen unterwegs in den Weg gestellt hatten, auf dem richtigen Weg waren.

– Es ist die Geschichte eines Übergangs: die vordergründige Gefahr: von einem Flussufer ans andere, aber in Wirklichkeit auch von einem alten Leben in ein neues. Das rastlose Umherwandern des Volkes Israel findet ein Ende. Am anderen Ufer wartet auf sie eine Heimat.

Aber dieser Übergang ist gefährlich. Denn es geht um mehr, als sich irgendwie auf die andere Seite zu retten. Das alte muss im Fluss „ertrinken“ - sozusagen „sterben“, damit ein neues Leben anfangen kann. Alles, was war, bleibt zurück und wird abgewaschen. Am anderen Ufer angekommen ist das Volk quasi wie neu geboren. Deshalb ist dieser Moment so entscheidend. Deshalb erzählt die Bibel so ausführlich von diesem Übergang.

Und aus eigener Kraft hätten sie das auch niemals geschafft. Mit Mann und Maus über den reißenden Strom zu kommen – das ist so unmöglich, wie sich selbst neu auf die Welt zu bringen. Neu geboren werden, das kann man nur mit Gottes Hilfe.

Gott selbst ist es, der in dieser Geschichte das Volk ans andere Ufer bringt. Und zwar so: Josua schickt die Männer, die die Bundeslade Gottes tragen, voraus und mitten in den Fluss hinein. Und in dem Moment, als die Männer ihren Fuß ins Wasser setzten wollen – weicht es zurück. Gottes Macht schafft seinem Volk eine Schneise, einen Durchgang. Er lässt die Menschen erleben: Ich bin euer Weg. Es ist mein Wille, dass ihr da drüben in einem neuen Leben ankommt …. und alle erreichen die neue Heimat – trockenen Fußes. Eine wundersame Geschichte von einem Neuanfang.

Für den Neuanfang Gott mit den Menschen. Dafür steht in biblischen Geschichten der Jordan: Wie das Volk Israel eine neue Heimat findet. Aber auch, wie später Johannes der Täufer im Fluss die Menschen tauft und auffordert, ein neues, gerechteres Leben anzufangen.

Noch einmal neu anfangen, als würde man noch einmal auf die Welt kommen? Davon erzählt der Jordan bis heute. Davon erzählt die Taufe bis heute. Davon, dass es möglich ist, neu geboren zu werden – mit Gottes Hilfe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41409
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