SWR1 3vor8

12JAN2025
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Es war während eines Familienurlaubs an der Küste. Dicke Wolken standen am Himmel, aus denen es immer wieder regnete. Ein kräftiger Wind blies uns ins Gesicht. Doch dann, in einer kurzen Regenpause, riss plötzlich die Wolkendecke auf. Ein Stück blauer Himmel kam zum Vorschein und ein paar Sonnenstrahlen brachen durch die graue Wolkendecke. Ein magischer Moment.

Dieses Bild habe ich seitdem vor Augen, wenn ich die biblische Geschichte von der Taufe Jesu im Jordan höre. Wie Jesus sich da geduldig einreiht in die Schlange der Wartenden. Wie er dann endlich vor dem Täufer Johannes steht. Und - nachdem er getauft ist - wie sich mit einem Mal der Himmel öffnet. „Und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab“, heißt es da. Spätestens hier dürfte klar sein, dass das kein historischer Tatsachenbericht ist. Es ist ein Bild. Ein ziemlich starkes sogar. Ein Bild dafür, dass Erde und Himmel sich verbinden. Das Sichtbare und das Unsichtbare. Leben und Glauben.

Natürlich weiß ich, dass die grauen Wolken an der Küste und das Blau darüber nicht der Himmel sind, von dem diese Geschichte von der Taufe Jesu erzählt. Der Himmel, aus dem es stürmt und regnet, ist eben nicht der Himmel, wo Gott zu finden ist. Aber vielleicht brauchen wir einfach solche Bilder. Weil wir Menschen sind. Erdverbunden und sinnlich zugleich. Es ist wie mit der Liebe. Die kann ich in den blumigsten Worten besingen. Doch die schönsten Worte nützen nichts, wenn ich Liebe nicht auch gespürt und erfahren habe. Ganz körperlich und sinnlich. Von Mensch zu Mensch.

Für mich berührt das Bild vom offenen Himmel deshalb eine tiefe Sehnsucht, die Menschen haben. Dass da doch noch mehr sein muss als das oft so schwer erträgliche Klein-Klein hier auf der Erde. Dass mein Leben einmal nicht im Nichts endet. Sondern, dass da etwas sein wird, dass ich mir jetzt hier noch nicht vorstellen kann. Und auch: Dass es eine größere Gerechtigkeit geben muss. Weil so viel Unrecht und Gewalt geschieht, die nie gesühnt wird und weil die Sehnsucht nach Gerechtigkeit nicht ungestillt bleiben kann.

Der Publizist Heribert Prantl hat einmal gesagt: Die Kirche könne idealerweise der Ort sein, an dem der Himmel offen ist. Das sollte nicht nur für die Kirche, sondern für jede Religion gelten. Dass sie Menschen, die suchen, den Himmel offenhält. Weil der offene Himmel ein Bild ist für Hoffnung. Hoffnung, dass es gut ausgehen wird. Egal, was kommt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41386
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