Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Damit man nicht streiten muss, gibt es Recht und Gesetz. Wie oft nach einer Scheidung Kinder ihre getrennt lebenden Väter besuchen dürfen, was am Zaun zum Nachbarn wie hoch wachsen darf, wer für bestimmte Reparaturen in der Mietwohnung zuständig ist und wer nicht – dafür gibt es gesetzliche Regelungen. Damit man nicht jedes Mal streiten muss und nicht nur die zu ihrem Recht kommen, die sich lautstark durchsetzen können.
Recht und Gesetz sollen das Leben leichter machen. Aber manchmal machen Menschen sich das Leben auch besonders schwer mit Recht und Gesetz. Geschiedene Eltern streiten um Besuchsregelungen und die Kinder sind die Leidtragenden, wenn man ihnen jedes Wochenende und jede Stunde vorrechnet. Nachbarn streiten um ein paar Äste, die über die Grundstücksgrenze hinaus zum anderen hinüber wachsen. Ich kenne eine ältere Frau, die muss deshalb jedes Jahr ein paar Mal einen Gärtner kommen lassen. Der Nachbar will sein Recht – und wahrscheinlich ist er im Recht. Aber im Grunde macht er sich bloß das Leben schwer – und seiner Nachbarin erst recht. Rechthaberei kann Menschen sehr einsam machen.
Es gibt aber noch ein anderes Gesetz – das macht einem das Leben wirklich leichter. Es hat nur 5 Worte. Paulus hat es aufgeschrieben, in seinem Brief an die Leute in Galatien. Man kann es in der Bibel nachlesen. „Einer trage das anderen Last“ heißt dieses Gesetz, das einem das Leben leichter macht. Und Paulus sagt dazu: so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Er hat damit an Jesus erinnert, der den Menschen nicht immer noch mehr Pflichten und Verpflichtungen auferlegt hat – sondern ihnen geholfen hat zu tragen, was sie allein nicht schaffen konnten.
An der Last des anderen mittragen. Das könnte vielleicht heißen: Mit dem geschiedenen Vater der eigenen Kinder reden. Hören, wie er sich das mit dem Besuchsrecht vorstellt. Ihm entgegen kommen – damit den Kindern die Last der Trennung nicht zu schwer wird. Oder mit der Nachbarin reden. Hören, dass sie die Hecke nicht selber schneiden kann. Hören, dass ihr Sohn für ein paar Monate im Ausland ist. Und dann vielleicht einfach die Äste selber abschneiden, wenn sie stören. Nach Recht und Gesetz braucht man das nicht zu tun, klar. Aber großzügig wäre es und freundlich und im Grunde so einfach. Der allein stehenden Frau wäre eine Last abgenommen. Wahrscheinlich würde sie „Danke“ sagen. „Danke, Sie haben mir sehr geholfen.“ Und, wer weiß, dem Nachbarn, der nach Recht und Gesetz immer bloß verdrießlich seine Ansprüche durchsetzen will, dem täte das vielleicht auch gut. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4138
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