SWR1 3vor8

05JAN2025
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Johanna ist mein Patenkind und acht Jahre alt. Neulich waren wir zusammen in der Kirche und im Gottesdienst wurden wir aufgefordert, uns gegenseitig zu segnen. Ich habe ihr ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet und dann umgekehrt sie mir. Für mich ein besonderer Moment. Der Segen ging hin und her und Johanna und ich: wir beide mittendrin.

Gesegnet zu werden ist für mich etwas Besonderes. Vor allem, wenn mir eine Person direkt gegenübersteht, in die Augen schaut und mir mit den Fingerspitzen ein Kreuzzeichen auf die Stirn macht. In diesen Momenten wird mir bewusst: Ich bin gemeint. Mir wird gerade Gutes gesagt. Und in dieser Nähe eines anderen Menschen erahne ich, dass auch Gott mir nahe ist.

Gott segnet die Menschen – das kenne ich. Und bislang war für mich klar: der Segen geht quasi von oben nach unten, von Gott zum Menschen. Doch dass der Segen auch in die andere Richtung, also vom Menschen zu Gott gehen kann – das ist für mich ein eher ungewöhnlicher Gedanke.

Nicht für die Bibel. Da geht der Segen hin und her. Ganz bildlich wird das bei der Geschichte von Jakob, im ersten Buch der Bibel beschrieben. Jakob träumt, dass die Boten Gottes auf einer Himmelsleiter von Gott zu Jakob und von Jakob zu Gott steigen. Auf und ab. Himmel und Erde sind miteinander verbunden und Gott verspricht Jakob: „Ich bin bei dir. Ich behüte dich, wohin auch immer du gehst.“ (Gen 28,12ff.)

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die ersten Christen die Erzählung von Jakob und dem Segen, der hin- und hergeht, gekannt haben. Und auf diesem Hintergrund schreibt Paulus in einem Brief an die Menschen in Ephesus: „Gesegnet sei Gott (…).“ Und kurz darauf schreibt er weiter: „Gott hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.“ (Eph 1,3)

Ich finde das einen schönen Gedanken am Beginn dieses neuen Jahres: Gott segnet mich und diesen Segen kann ich weitergeben. An andere Menschen und eben auch an Gott. Und so teile ich mit Gott nicht nur das, was mir gerade schwer auf der Seele liegt und wo ich ihn vermisse und seinen Segen brauche. Sondern ich segne ihn auch. Also ich suche die Nähe zu ihm, danke ihm und teile mit ihm das Schöne, das es in meinem Leben gibt.

Der Segen – er geht hin und her. Eine Verbindung, die mich trägt.

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