Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Unsere kleine Tochter malt gerade leidenschaftlich gerne. Kein Stück Papier ist sicher vor ihr. Die Box mit den Notizzetteln unten am Esstisch ist regelmäßig leer.
Neulich ist unsere Tochter spontan gekommen und hat mir ihre aktuellen Bilder präsentiert. Jedes hat sie mir einzeln mit einer kurzen Erklärung in die Hand gedrückt. Zuerst: „Ein Igel, der Kacka macht.“ – Dann das nächste: „Buchstaben.“ – Und weiter ging‘s: „Herzen.“ – „Fußball-Deutschlandfahne.“ – „Ein Mensch.“ – „Krieg.“ – „Blumen“.
Einen Augenblick lang war ich durcheinander. Fast ein bisschen überfordert. Verloren zwischen einem lustigen Igel und erschreckend detailgetreuen Panzern mit Kanonen. Diese vielen verschiedenen Themen – wie gehören die zusammen? Was wollte unsere Tochter damit? Und was hat sie von mir als Vater erwartet?
Aber dann habe ich gedacht: Ja, so ist unser Leben halt. Da gibt es Schönes und Schweres – beides beieinander. Und manchmal folgen auf ganz gewichtige Dinge sofort leichte Sachen, oder umgekehrt. Wenn ich auf dieses zu Ende gehende Jahr zurückschaue, geht es mir auch so. Genau so eine Mischung war es auch in meinem Leben.
Wie kann man gut damit umgehen? Unsere Tochter hat ja eine wunderbare Möglichkeit für sich gefunden. Sie hat all die verschiedenen Dinge gemalt, ihre Erfahrungen in Bildern ausgedrückt. Auf ihren Zettelchen hat sie allem einen Platz gegeben. Und dann konnte sie das nochmal in Ruhe überblicken. Das haben wir auch nochmal gemeinsam gemacht – wir haben die Bilder zusammen angeschaut und besprochen. Um mörderischen Krieg ging es da, und genauso um die bunten Blumen, die sie das Jahr über ausgiebig gepflückt hat.
Mir persönlich hilft es, Dinge aus diesem Jahr nochmal laut auszusprechen. Dabei bedenke ich sie für mich selbst. Ich fühle mich verbunden mit anderen Menschen. Und zugleich vertraue ich das Leben Gott an. Heute Abend machen das viele Christen in Gottesdiensten zum Jahreswechsel. Und oft singen dann alle gemeinsam folgende alte Liedstrophe: „Das Jahr geht still zu Ende, nun sei auch still, mein Herz. In Gottes treue Hände leg ich nun Freud und Schmerz und was dies Jahr umschlossen, was Gott der Herr nur weiß, die Tränen, die geflossen, die Wunden brennend heiß.“ [„Das Jahr geht still zu Ende“, EG 63,1]
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