Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09JAN2025
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Ich bin bei einem Improtheater-Workshop. Der Referent erzählt uns zuerst ein paar grundsätzliche Dinge zum Improvisieren und fängt dann an mit uns zu üben.

Eine der Übungen soll uns ins Erzählen bringen. Sie geht so: Wir sind jeweils zu dritt zusammen und sollen eine Geschichte entwickeln. Das Thema: Wohin wollen wir verreisen. Der erste sagt einen Ort, an den er gerne reisen würde und der nächste soll einfach erzählt, wohin und wie die Reise von dort aus weitergeht. Egal, wie absurd es wird. Es gibt nur eine klare Vorgabe. Wir dürfen nie „Ja, aber“ im Weitererzählen sagen, sondern immer nur „Ja, und“.

Zum Beispiel sagt der erste: Wir fahren mit dem Fahrrad nach Afrika. Dann darf ich als nächster nicht sagen: „Ja, aber, mit dem Fahrrad dauert das ewig.“  Ich könnte stattdessen sagen: „Ja, und auf dem Weg halten wir in Ägypten und klettern auf eine Pyramide.“

Was erstmal ziemlich albern klingt, ist eine ziemlich coole Übung. Zum einen um mal ohne Hemmungen draufloszureden. Zum anderen aber, ist mir beim Erzählen aufgefallen, was dieses „Ja, und“ an Möglichkeiten bietet und nicht immer gleich alles in Frage stellt.

Ein praktisches Beispiel aus meiner Arbeit: Eine junge Frau kommt ins Pfarrbüro. Sie kommt nicht aus dieser Kirchengemeinde, möchte aber ihr Kind hier taufen lassen. Als nächstes erzählt sie, dass sie aus der Kirche ausgetreten ist und demnächst ihre Partnerin heiraten wird. Klingt konstruiert? Ist mir genau so geschehen. Die junge Frau hätte drei Mal „Ja, aber“ hören können. Ja, aber sie wohnen nicht auf unserem Pfarrgebiet. Ja, aber sie müssten erst Mitglied dieser Kirche sein. Ja, aber das entspricht nicht unserer Sexualmoral.

Ich würde allem widersprechen und sage: Ja, und? Sollten wir nicht froh sein, dass diese Frau, trotz allem ihr Kind hier taufen lassen möchte? Obwohl sie einige Gründe hätte mit der katholischen Kirche nichts zu tun haben zu wollen. Ich sage zu ihr: Ja, und hier ist die Anmeldung. Herzlich willkommen. Das heißt nicht, dass man immer alles möglich machen kann. Und ich wünsche mir von meiner Kirche, dass darin weniger „Ja, aber“ und mehr „Ja, und“ gesagt wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41311
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