Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Vier Menschen mit völlig unterschiedlichen Berufen sitzen zusammen: ein Herrenausstatter, ein Schlagersänger, eine Suchttherapeutin und eine Bestatterin. Das klingt wie der Anfang eines ziemlich klischeehaften Witzes. Ist es aber nicht. Ich sitze bei einer Podiumsdiskussion im Publikum, und genau diese Menschen sitzen dort gemeinsam auf der Bühne. Eine wirklich wilde Mischung. Sie werden zu Beginn gefragt: Was tut ihr den Menschen Gutes? Und da können die vier viel erzählen. Auf ihre ganz eigene Weise. Wie viel sicherer sich ein Mensch fühlt, wenn er gut angezogen ist. Wie glücklich viele Fans nach einem Konzert nachhause gehen. Wenn jemand es geschafft hat, seine Drogensucht zu überwinden. Oder wenn jemand nach einem Todesfall erfährt: Ich bin nicht alleine. So unterschiedlich alle in ihren Berufen sind, so unterschiedlich sind sie für Menschen da.
Als die vier dann gefragt werden, was ihrer Erfahrung nach, die Menschen brauchen, sind sich alle einig. Vor allem zwei Dinge: Wahrgenommen zu werden und Gemeinschaft.
Wie recht sie haben. Wie sehr auch ich diese Grundbedürfnisse habe. Aber dann denke ich: Seltsam. So sehr alle anscheinend gesehen sein wollen und sich nach Gemeinschaft sehnen, so wenig kriegen wir das als Gesellschaft gerade gebacken. Wie viele Interviews habe ich in den vergangenen Monaten gehört, in denen Menschen erzählt haben, dass sie sich von Politik und Gesellschaft nicht wahrgenommen fühlen. Erzieherinnen, die in ihrem Kindergarten völlig unterbesetzt sind. Pfleger genauso. Oder Menschen in den östlichen Bundesländern, die sich abgehängt fühlen. Überall gibt es Nachwuchsprobleme. Parteien, Chöre, Kirchengemeinden, Sportvereine. Viele Menschen haben Sehnsucht nach Gemeinschaft, wollen sich aber nicht länger an eine Gemeinschaft binden.
Trotzdem zeigen mir diese vier Menschen auf diesem Podium: Jeder kann auf seine Weise Gutes tun und gemeinschaftlich wirken.
Ich denke dabei auch an die Verkäuferin beim Metzger, die so herzlich ist, dass ich immer mit einem Lächeln rauslaufe. Oder an meinen Nachbarn, der Landwirt ist, und dafür sorgt, dass ich manchmal mit anderen Menschen am Tisch sitzen kann und gutes Essen habe.
Vielleicht ist es gar keine Frage: Was tut ihr Menschen Gutes? Sondern eine Grundhaltung: Ich kann Menschen Gutes tun.
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