Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
„Was du nicht willst was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Was der Volksmund in diesem kleinen Reim zusammenfasst – das ist eine gute Regel für das friedliche Miteinander.
Jesus hat sie sogar noch zugespitzt. Er hat gesagt: „Was ihr wollt, dass die anderen Menschen euch tun, das tut ihnen zuerst.“ Das heißt: Wir sollen den anderen sogar noch zuvorkommen. Und: Es geht nicht nur darum, andere nicht schlecht zu behandeln, sondern ihnen explizit etwas Gutes zu tun.
Ein schöner Gedanke. Aber leider scheitert er bei mir oft schon bei der geringsten Provokation. Vor ein paar Tagen ist mir auf einem ganz engen Bürgersteig ein Radfahrer entgegengekommen. Um ihm auszuweichen, musste ich vom Bürgersteig auf die Straße wechseln.
„Das ist ein Bürgersteig und kein Radweg!“, habe ihn angeschnauzt. Was er mit einer wilden Schimpftirade beantwortet hat.
Ein paar Tage später habe ich eine junge Frau beobachtet, die hat sich so völlig anders verhalten: Sie hatte gerade ihr Auto eingeparkt, aber so, dass es etwas über die eingezeichnete Parkfläche hinausgeragt hat. Und direkt ist ein Mann aus der Einfahrt nebenan rausgekommen und hat sie beschimpft:
„So können Sie doch nicht parken! Da kommt ja kein Mensch mehr aus unserer Einfahrt heraus! Immer dieses rücksichtslose Verhalten!“
Die Frau hat ganz freundlich geantwortet: „Sie müssen nicht laut werden. Ich höre Ihnen zu. Wir können das in aller Ruhe besprechen und finden bestimmt eine Lösung...“ Der Mann hat noch eine Weile weiter herumgezetert, aber sie hat ihn ganz ruhig und geduldig herunterreguliert.
„Wissen Sie, ich rege mich ja nur so auf, weil das andauernd passiert“, hat er am Ende fast entschuldigend gesagt. Und er hat ihr sogar angeboten, dort stehenzubleiben, weil er ohnehin nicht vorhatte, sein Auto zu bewegen. Es war richtig schön, das mitanzusehen.
Vielleicht hätte ich ja bei dem Mann mit dem Fahrrad einfach stehenbleiben können und fragen: „So, und wie lösen wir das jetzt?“ Und zwar so freundlich und souverän, wie die junge Frau. Schließlich möchte ich selbst so behandelt werden. Und es ist ein richtig gutes Gefühl, wenn Konflikte friedlich enden.
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