SWR1 3vor8
Allen, die heute nochmals sanfte weihnachtliche Gedanken erwarten, macht die katholische Liturgie einen Strich durch die Rechnung. Der Zweite Weihnachtsfeiertag ist ein Heiligengedenktag, der des Stephanus. Und der Hl. Stephanus gilt als erster Märtyrer der Kirchengeschichte. In der Apostelgeschichte wird berichtet, dass er zur ersten Christengemeinde in Jerusalem gehört hat und besonders eifrig dabei war, den neuen Glauben zu verkünden. Und zwar nicht nur mit Worten, sondern es heißt von ihm: Stéphanus aber tat, voll Gnade und Kraft, Wunder und große Zeichen unter dem Volk[1]. Das hat Aufsehen erregt und die traditionellen jüdischen Gläubigen gegen ihn aufgebracht. Bis sie ihn schließlich zu Tode steinigten.
Weshalb aber wird diese grausame Geschichte an Weihnachten erzählt? Klar, es gehört zum Anfang des Christentums und damit auch zu Weihnachten, dass seine Anhänger verfolgt wurden. Für mich liegt der tiefere Grund aber woanders. Es gibt nämlich eine Parallele zwischen dem, was Lukas in seinem Evangelium als Weihnachtsgeschichte erzählt und dem, was er in seinem zweiten Buch, der Apostelgeschichte, von der Steinigung des Stephanus berichtet. In beiden Texten ist davon die Rede, dass der Himmel offen ist und Gottes Herrlichkeit dabei zeigt. Wörtlich heißt es heute im Bibeltext: Stephanus aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen[2]. Das erleben so auch die Hirten, die auf dem Feld bei Betlehem ihre Schafe hüten. Die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie[3]und sie verstehen: Das Kind im Stall ist Gottes Weg, um ihnen eine neue Perspektive zu geben, um die Welt zu retten.
Der offene Himmel, bei der Geburt und beim Tod. Und hoffentlich immer wieder dazwischen. Solange wir leben und besonders an den wichtigen Stellen. Das ist Gottes Angebot an uns. Ich erinnere mich, dass es mir an wenigen Stellen in meinem Leben so ging. Zum Beispiel als ich vor einer großen Operation noch wach dalag und auf die Narkose gewartet habe und ich mir die Menschen vor Augen geführt habe, für die ich mich verantwortlich fühle und die ich liebe. Da war ich sehr traurig und habe mich gefürchtet. Aber mittendrin war auch etwas von Gott, ein kleiner Funke seines Glanzes, ein offener Himmel - den ich seither in mir bewahre und nie mehr hergebe.
[1] Apostelgeschichte 6,8
[2] Apostelgeschichte 7,55f.
[3] Lukas 2,9
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