SWR1 Begegnungen


Peter Annweiler trifft Nina Roller vom Mannheimer „Studio Herrlichkeit“
Teil 1: Überraschung in Gold
Die Mannheimer Pfarrerin mag es gerne schön. Und sie brennt für überraschende Begegnungen. Beide Vorlieben kann sie jetzt mitten in einer Mall in den Mannheimer Quadraten entfalten:
Wir merken, wenn Menschen vorbeikommen an unserem Pop Up, dann freuen die sich über die Aufmachung, über die Schönheit, über das viele Gold. Und dann gleitet der Blick über das Schaufenster. Und dann steht da Evangelische Kirche Mannheim. Und da sind Menschen schon irritiert. Was macht jetzt die Kirche in einem Laden?
Den Weihnachtsladen hat die 38-jährige zusammen mit der Grafikerin und Gestalterin Valentina Ingmanns entworfen – als Teil des Innovationsprojekts „Studio Herrlichkeit“. Kleine Geschenke kann man zum Beispiel da kaufen: Tassen, Mützen, Socken – mit einem aufgedruckten oder eingenähten Segenswort. Bei meinem Besuch krieg‘ ich zuerst eine Tasse Tee aus einem goldenen Samowar. Und dann seh‘ ich es immer wieder leuchten: Goldene Kerzen am Adventskranz, goldene Tischdecken, goldene Wandbehänge.
Stilprägend ist, dass immer wieder die Farbe Gold auftaucht. Wenn man in die Kunst schaut, wenn man in Kirchen schaut, dann ist die Farbe Gold die Farbe, die für das Göttliche steht. Und Weihnachten bedeutet für uns: Gott kommt in die Welt und dafür steht diese Farbe Gold auch.
Angenehm und wohltuend empfängt mich dieser temporäre kirchliche Ort in der Konsumwelt. Pfiffige Ideen, zugewandte Menschen und viel Herzenswärme umgeben mich. Und doch: In mir ist noch eine skeptische Stimme, die fragt: “Vergoldetes Design in allen Ehren – aber gibt es nicht wichtigeres für die Kirche: Etwa ihre Kraft gegen die Armut einzusetzen?“
Ich glaube, wirklich schön sind Dinge dann, wenn sie auch nicht die Augen verschließen vor dem, was schwierig ist und was wehtut. Und ich glaube, so was Schönes kann auch eine Form der Rebellion sein gegen all das, was schmerzt, gegen alles, was uns besorgt, gegen all das, was uns stresst.
Schönheit als Rebellion gegen das, was schlimm und schrecklich ist. - Ja, so überzeugt mich der Laden und mit ihm Nina Roller: Sie bringt Form und Inhalt, Schönheit und Tiefe zusammen. Und dadurch ist der Laden ein Kraftort in einer taumelnden Welt. Wobei diese Kraft ja ganz unspektakulär aufkommt: Beim gemeinsamen Basteln oder beim Singen von Weihnachtsliedern. In der Dynamik von Begegnung und Gespräch.
Fast wie bei den Begegnungen an der Krippe, wo etwa Hirten und das junge Paar mit dem Kind aufeinandertreffen. Auf solche Momente wartet Nina Roller.
Ich liebe die Überraschung. Ich liebe, dass ich selbst überrascht werde in der Begegnung mit Menschen. Von ihren Gedanken, von ihren Fragen, von ihrer Offenheit, von dem, was entsteht, wenn man sich wirklich füreinander öffnet.
Teil 2: Ganzjährig glänzend
Ihr „Christmas Pop Up“ ist Teil von „Studio Herrlichkeit“ – und mit dem steht Nina Roller für innovative Formate in der Kirche. Zusammen mit ihrer Kollegin, der Grafikerin und Gestalterin Valentina Ingmanns, hat sie dafür ein frisches Erscheinungsbild entwickelt.
Irritationen stiftet für manche der Stil, also der doch sehr popkulturaffine, moderne Stil, der auch mit einem Augenzwinkern daherkommt.
Und der zeigt sich auch bei dem unkonventionellen Namen „Studio“. Nina Roller hat sich gut überlegt, was sie damit verbindet.
Zum einen eine Versuchsbühne, wenn man innovativ Dinge gestalten will. Dann verbindet sich für mich mit dem Studio zum anderen das Fitnessstudio. Das heißt, ein Studio ist ein Ort, an dem ich zu Kräften komme, im besten Falle. Und dann das Atelier: Das Kunst-Studio. Kreative Kirche sein ist uns wichtig. Und dann ist das Studio ja auch die lichtdurchflutete Wohnung.
Auch für den Namen „Herr“lichkeit hat sie gute Gründe gefunden, gerade wenn zwei Frauen dieses Studio leiten.
Die Herrlichkeit ist im Alten Testament übrigens eine weibliche Facette Gottes, ganz anders als der Name es im deutschen Sprachgebrauch nahe legt und es passt auch gut zu Weihnachten: Jesus kommt in die Welt, Gott kommt in die Welt – lässt sich gut in Verbindung bringen mit der Einwohnung Gottes in die Welt.
Wichtig ist Nina Roller, das Kreative und Innovative mit theologischem Tiefgang zu verbinden. Sie weiß, dass Segen nicht „konservierbar“ ist – und dass heilige Momente nicht „produzierbar“ sind. In dieser Haltung bietet sie „Glanz-Momente“ an: In einem Segenszelt auf dem Maimarkt, mit besonderen Beats zum Tanz im Kirchenraum, oder jetzt in einem Weihnachtsladen.
Wenn ich sage: Etwas ist herrlich, dann sind das Momente, in denen ich spüre: Da ist für einen Moment zumindest eine Erfüllung da. Und solche Momente wollen wir generieren und verschenken. Und das ist dann so eine Art Holy Glow, also ein heiliger Glanz, der sich ins Leben legt.
Im Gespräch mit Nina Roller spüre ich: Die Frau ist genau richtig bei diesem Projekt: Sie macht es Menschen leicht, Kirche sympathisch zu finden. Und bei allem Glanz und Glitter bleibt sie auch dem Schweren verbunden.
Ich bin natürlich immer wieder herausgefordert. Dadurch, dass die Welt überhaupt nicht nur herrlich ist und das auch in meinem pastoralen Handeln, also in dem, was ich predige und auch in dem, wie ich Seelsorge mache, nicht wegzuleugnen. Auch im Sinne dessen, was mein Auftrag ist: die Hoffnung und die Freude groß zu machen. Aber eben nicht blind für das, was schmerzt.
Hoffnung und Freude stärken – und gleichzeitig das Schmerzhafte sehen. Das ist die starke Basis von Kirche, längst nicht nur beim „Studio Herrlichkeit“ und längst nicht nur zur Weihnachtszeit.
Mehr Infos zu Studio Herrlichkeit, dem Innovationsprojekt der Ev. Kirche Mannheim und seinem Christmas Pop Up (bis 04.01.25)
https://studioherrlichkeit.de/
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41258