SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken
Viele Menschen sind an diesem 2. Sonntag nach Weihnachten schon nicht mehr recht in Weihnachtsstimmung. Tannenbäume sind abgebaut und Krippenfiguren wieder in der Versenkung verschwunden.
Aber in christlichen Gottesdiensten geht es heute noch ganz weihnachtlich zu. Mit großen und feierlichen Worten beschreibt das Johannesevangelium heute den Sinn des Weihnachtsfestes. Da ist vom „Licht der Menschen“ die Rede und davon, dass das „Wort Fleisch annimmt“, dass Gott Mensch geworden ist.
Dass ein Wort Fleisch wird, klingt vielleicht erstmal ziemlich befremdlich. Und doch handelt es sich um ein Geschehen, das heutiger wissenschaftlicher Forschung vielleicht gar nicht ganz fremd ist. In der Quantenphysik wird das bizarre Verhalten kleinster Teilchen untersucht. Diese Teilchen werden erst dann Wirklichkeit, wenn sie tatsächlich von jemandem beobachtet werden. Es gibt Leute, die leiten daraus Strategien ab, wie man sich selbst heilen kann. Sie sagen: Wenn sich jmd. etwas mit allen Sinnen herbeiwünscht und detailliert vorstellt, dann kann es auch Wirklichkeit werden.
Auch die Verhaltenspsychologie nutzt solche Vorstellungen: Es gibt manchmal negative Glaubenssätze, die sich mir von Kindheit an eingeprägt haben. Sie können mich ganz schön beeinflussen – bewusst oder unbewusst. Doch sie lassen sich umpolen, wenn sie durch positive Glaubenssätze und Erfahrungen ersetzt werden. Ich habe z. B. lange gedacht: „Ich bin nichts wert, wenn ich nichts leiste“. Das hatte zur Folge, dass ich oft weit über mein Limit hinausgegangen bin. Was mir dagegen hilft? Ich sage mir zwischendurch: „Ich erlaube mir jetzt, einfach mal Pause zu machen. Ich bin gerade dann ein kostbarer Mensch, wenn ich einfach nur da bin“. Das kann viel verändern. Besonders, wenn ich dazu passende Erfahrungen mache.
Positive Gedanken können im Gehirn tatsächlich neue Synapsenverbindungen schaffen: Gedanken materialisieren sich. Sie gehen mir sozusagen in Fleisch und Blut über und verändern meine Wirklichkeit.
Biblisch kann ich mir das vielleicht so vorstellen: Gott hat sich den Menschen auf eine bestimmte Weise gedacht. Er sollte so ticken wie Gott selbst, sein Ebenbild werden, genauso voller Leben, Licht und Liebe sein wie er selber. Und diese guten Gedanken über den Menschen haben sich in Jesus Christus sozusagen materialisiert, sind Fleisch, sind ein Mensch geworden. An diesem Menschen Jesus kann ich ablesen: So ist Gott. Und: So hat sich Gott den Menschen gedacht!
An Weihnachten feiern wir, dass Gottes Wort „Fleisch“, also Mensch geworden ist. Und dass wir an ihm ablesen können, wie Gott ist und wie er sich den Menschen ersehnt hat. In der Bibel wird Jesus als eine ganz beeindruckende Persönlichkeit dargestellt. Einer, der nicht wegschaut, wenn Menschen leiden und krank sind. Im Gegenteil, er schaut sogar ganz genau hin, was diesen Menschen fehlt. Er ist einer, der hilft, wo er kann, ohne sich vereinnahmen zu lassen. Gott hat sich diesen Menschen Jesus mit all seiner Liebe erdacht, und so ist diese Liebe Fleisch, also ein Mensch geworden.
Ich kann meinen Blick immer einmal wieder auf diesen Jesus lenken. In der Bibel nachlesen, wie er mit Menschen umgegangen ist. Wie er alles dafür getan hat, mit seinem Licht unsere oft so lieblose Welt ein bisschen heller zu machen.
Mit Blick auf die Verhaltenspsychologie kann mir deutlich werden: Wohin ich schaue und was ich denke, das wird Wirklichkeit, das prägt meine ganze Art, in der Welt zu sein. Wenn ich nur das sehe, was schlecht läuft und schwierig ist, kann es schwer werden, da wieder herauszukommen. Da kann es leicht passieren, dass alles um mich herum düster wird.
Wenn ich aber versuche, auch schöne Dinge wahrzunehmen, hat das den gegenteiligen Effekt. Dann gebe ich dem Schwierigen nicht mehr Gewicht, als ihm zusteht. Dann fange ich an, etwas ganz Positives auszustrahlen.
Ich kenne faszinierende Menschen, denen das gelingt, die etwas unglaublich Warmherziges ausstrahlen. Menschen, in deren Gegenwart ich ganz deutlich spüren darf: Es ist gut, dass ich da bin, ganz unabhängig davon, was ich kann oder leiste.
Einer von ihnen heißt Peter. Er hat mir erzählt, wie er jeden Abend vor dem Schlafengehen betet. Dass er mit Gott zusammen und mit seinem einfühlsamen Blick abends noch einmal den vergangenen Tag anschaut. Dass er den Blick ganz bewusst zunächst auf die guten Erlebnisse des Tages lenkt. Auf das, was schön, lebendig, licht- und liebevoll war. Wo er Gott begegnen durfte. Und dann wird es auch leichter, mit dem Schwierigen umzugehen.
Peter liest auch immer wieder in der Bibel. Davon, wie behutsam Jesus mit anderen Menschen und auch mit sich selbst war. Wie er auf Gott vertraut hat.
Das hat ihm geholfen, auch selber immer liebevoller mit sich selbst und anderen Menschen umzugehen. Seine Gedanken haben sich mit der Zeit verändert. Und sind ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Er hat sich quasi von Gott und seiner Liebe anstecken lassen. So sehr, dass er das ausstrahlt und ich es heute zu spüren bekomme.
Vielleicht kann auch ich mich davon anstecken lassen. Dass ich innerlich immer mehr mit liebevollen Gedanken umgehe. Dann kann und wird sich in mir und um mich herum etwas verändern zum Guten hin. Und dann geht Weihnachten weiter in dieser Welt.
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