SWR Kultur Wort zum Tag

31DEZ2024
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Fast schade eigentlich, dass heute Abend nicht noch mehr geböllert werden darf. Denn es gibt wahrlich böse Geister genug, die es fürs kommende Jahr abzuwehren gilt. Das ist ja der ursprüngliche Sinn für das Feuerwerk, ein symbolischer Abwehrzauber zum Jahreswechsel. Weg mit dem Bösen aus dem vergehenden Jahr, und vor allem: radikale Abwehr des Bösen vom neuen. Das soll möglichst unbeschwert beginnen und verlaufen. Welch sinnvoller Wunsch. Schön wär’s, kann man da nur sagen. Die Realität sieht anders aus: Was da aus den USA auf uns zukommt, wirft viele Fragen auf. Die Kriege in der Ukraine, im Gaza und sonst gehen leider übergangslos weiter. Wie bei uns die Wahl ausgeht, ist durchaus offen; was dann kommt erst recht. Sollten die gesellschaftlichen Spannungen zunehmen, werden die Extreme sich weiter verschärfen. Manche sprechen sogar von „Zukunftsverlust“, als ginge uns die Zuversicht verloren. Aber Neujahr und Neugier sollten doch zusammengehören.

Natürlich würde ich der üblichen Böllerei nicht nachtrauern; die kostet Millionen und ist ökologisch ein Problem. Durchaus sinnvoll also, sie wenigstens einzuschränken. Aber damit sind ja die Fragen nicht weg, die dahinterstecken: Wie mit dem Bösen fertig werden, das sich aus dem letzten Jahr angesammelt hat? Wie die Zeitenwende schaffen, von der so viel geredet wird? Das Böse wird ja nicht durch ein Strohfeuer abgeschreckt, sondern durch Alternativen zum Besseren und Guten. Machen wir also eine kleine Jahresbilanz: was war in diesem Jahr besonders schön für mich, wo habe ich Glück gehabt und sehe mich überraschend beschenkt, was ist besonders gelungen? Dann wäre ein kleines Feuerwerk des Dankes fällig, vielleicht auch ein richtiges Loblied an die höhere Instanz. Und dann ebenso achtsam: was will ich im neuen Jahr erreichen? Welche Pläne priorisiere ich? Was macht mir Sorgen und wo sehe ich schwarz? Natürlich auch: wo könnte ich entschiedener sein und mich einmischen – mit allen Feuerkörpern des Widerstandes und auch des Kampfes. Solch ein klares Zwischenfazit zum Jahreswechsel - das lässt klarer sehen für die nächsten zwölf Monate. Ein Freund von mir wählt sich für jedes Jahr einen vorbildlichen Menschen zum Jahresbegleiter, sagen wir ruhig eine Heilige oder einen Heiligen, zum alltäglichen Geleit – Franz von Assisi z.B. oder Etty Hillesum, Martin Luther King oder Lieschen Müller. Klare Optionen und konkrete Ziele, und das in bester Begleitung: Ein kleines Feuerwerk der Zuversicht.

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