SWR Kultur Wort zum Tag

14DEZ2024
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Ich freue mich jedes Jahr auf die so oft besungene »Stille Nacht«. Doch wann beginnt sie eigentlich? Und woran merke ich das? Im Kalender steht am 24. Dezember: „Heiligabend“.

Aber so richtig still und heilig hat bei mir der 24.te noch nie begonnen. Im Gegenteil. Am Morgen heißt es: Einkaufen für die Festtage, Baum schmücken, Anrufe mit guten Wünschen für die Festzeit. Am Nachmittag wird es allmählich ruhiger.
Weihnachten wird spürbar - nach Ladenschluss. Aber selbst Gottesdienst und Bescherung sind für mich noch nicht wirklich »Stille Nacht«.

Erst so gegen 20 Uhr - gibt es für mich – zwei Spuren zur »Stillen Nacht«. Da sind dann so gut wie keine Autos mehr auf der Bundesstraße unterwegs. Und früher – hat mir ein Freund erzählt – war um diese Zeit selbst im Rechenzentrum der Uni niemand mehr tätig. Für ein, zwei Stunden. Einmal im Jahr. Sonst nie.

Da könnte man meinen: Die Zeit steht still. Stille Nacht.
Nichts geht mehr weiter wie sonst. Und – paradox genug – genau dann – wenn nichts mehr besorgt und geschafft wird, kann das geschehen, mit dem niemand rechnet. Ich muss dabei dann unweigerlich an die Nacht der Hirten vor Bethlehem denken.

Wo scheinbar nichts geschah, wo alles so dahindämmerte. Da - mit einem Mal - ist das Unfassbare in ihr Leben getreten: Die Stimme des Engels: „Fürchtet euch nicht – euch ist heute der Heiland geboren. Friede auf Erden!“

Wo Herrscher wie damals Kaiser Augustus oder König Herodes ihre Macht demonstrieren, wo ihre Ruhmsucht und ihre knallharten finanziellen Interessen den Lauf der Dinge bestimmen – da durchkreuzt Gott ihre Geschichten: in der Stille, in der Nacht, in einem Stall – am Rand, abseits der großen Geschichte. In einem Kind. In Jesus und Maria. Genau diese Stille – diese Unterbrechung – braucht es, für Gottes neuen Anfang.

Ob ich das wieder spüre?  In der Christnacht oder am ersten Feiertag? Oder schon jetzt – in den Tagen vor dem Fest – in einem unverhofften Augenblick der Stille? Ich weiß nur soviel: In der Stille kann ich mich öffnen für das Wunder der Weihnacht. Für Gottes Geist der Liebe. Der kann verbitterte und enttäuschte Herzen verwandeln – auch meines.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41200
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