SWR1 Begegnungen

15DEZ2024
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Abt Nikodemus Schnabel copyright: Dormitio-Abtei, Jerusalem

...und mit Abt Nikodemus Schnabel. Er ist Mönch, Benediktiner in der Dormitio Abtei in Jerusalem und da direkt auf dem Berg Zion und ein zweites Kloster gehört dazu, in Tabgha am See Gennesaret.
Nikodemus und seine Mitbrüder leben in einem Land, das von Konflikten und Kriegen gebeutelt ist. Ich will wissen, wie er den Advent erlebt und was für ihn Frieden bedeutet. Ich erreiche Abt Nikodemus im Kloster in Jerusalem und ich will als erstes wissen, wie es ihm geht. Er erzählt, dass es ihm und seinen Brüdern persönlich und geistlich gut gehe...

 

Auf der anderen Seite natürlich, wir sind umgeben von diesem Ozean von Leid. Es ist egal, ob wir über jüdische Menschen reden, muslimische, christliche, atheistische, Israelis, Palästinenser, die vielen Ausländer, die es hier im Land gibt.

Das sind die Mitglieder der deutschsprachigen Auslandsgemeinde, aber auch die Migranten und Asylsuchenden aus der ganzen Welt, um die Nikodemus Schnabel sich kümmert. Leiden, das tun hier alle.

Alle Menschen, ich kenne niemanden, der nicht leidet, der nicht unter der Situation ja entweder voller Trauer ist, voller Verletzung, Verwundung, Traumatisierung, Ungewissheit, Ängsten. Also da kommt sehr, sehr vieles hoch. In diesem Ozean von Leid versuchen wir Hoffnungsinseln zu sein. Aber wir erleben einfach, es kostet uns Energie.

Hoffnungsinseln? Das will ich genauer wissen.

Hoffnungsinseln zu sein, ist etwas, was gar nicht schwer ist. Es bedeutet erst mal, aushalten, nicht weggehen.

Warum bleiben die Brüder, obwohl es gefährlich ist?

Wir Benediktiner versprechen klassisch Stabilitas: Beständigkeit.
Diese Beständigkeit, das Ausharren an einem Ort, für uns als Benediktiner ist ne ganz, ganz wichtige Berufung.
Wir bleiben hier, nicht nur in schönen Zeiten.

Wie erlebt Abt Nikodemus den Advent? Gerade in einer Zeit, die so schwierig, so komplex ist.

Also der Advent ist immer eine Zeit der Hoffnung. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, nie, es gab nie einen Tag, wo ich sage, ich resigniere.
Die Hoffnung hat bei mir durchaus einen ganz tiefen Grund.

Einen Grund, der interessanterweise auch mit den Orten zu tun hat, auf dem die beiden Klöster stehen. Weil Jesus sich nach seiner Auferstehung genau da gezeigt hat. Und das ist Hoffnung pur.

Also die Bibel sagt der Auferstandene, erscheint im Abendmahlsaal erscheint auf dem Zion, und der Auferstandene erscheint am Seeufer, also in Tabgha.
Das heißt, mir sind tatsächlich zwei der wenigen österlichen Auferstehungsorte anvertraut und dann muss ich das auch ernst nehmen. Und für mich ist halt Ostern der Ernstfall unseres Glaubens und das Zentrum unseres Glaubens.

Das ist die Oster-Hoffnung, dass am Ende nicht Hassen und Tod, sondern Miteinander und Leben das letzte Wort haben.

Und der Advent ist noch mal so eine Zeit, wo die Hoffnung neuen Auftrieb bekommt.

Die Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg in Jerusalem ist schon immer ein Ort, wo Menschen Zuflucht suchen und finden. Die Mönche haben die Tür offen, die Herzen und die Ohren auch. Dazu gehört auch eine Tasse Kaffee und ein leckeres Stück Kuchen - wie gut, dass einer der Brüder gelernter Konditor ist.

Immer wieder ist Abt Nikodemus mit schwierigen Situationen konfrontiert, nicht nur im Krieg. Er beobachtet, dass das in Frage gestellt wird, was alle Menschen verbindet.

 

Das Menschenbild also Genesis, 1, 26-27 oder für Juden bereshit, das allererste Buch der Bibel, wo im 1. Kapitel halt steht, dass jeder Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist. Muslime kennen übrigens eine ähnliche Vorstellung. Im Koran, Sure 2 Vers 30 steht drin, dass jeder Mensch Stellvertreter Gottes ist. Das heißt, die abrahamitischen Religionen sind sich absolut einig über die nicht zu diskutierende unverlierbare Würde eines jeden Menschen. Und die kommt ja gerade voll unter die Räder. Und wir erleben ja in der Kriegspropaganda von beiden Seiten, dass dem anderen das Menschsein abgesprochen wird, dass man sagt, na ja, das sind Tiere in Menschengestalt oder Ratten, Hunde oder Monster.

Eigentlich ist das eine Erschütterung der gesamten Menschheitsfamilie.

 

An dem Punkt müssen alle Religionen zusammenstehen und sich dagegenstemmen, dass die Menschenwürde in Frage gestellt wird. 


Was bedeutet Frieden für Sie?

Frieden bedeutet für mich eigentlich diese ja Gottsuche und die Menschensuche. Das ist was sehr Aktives. Das heißt auf der Suche sein, im Ringen sein, ja wie kann die Menschheit wachsen, wachsen in der Liebe, im Glauben, in der Hoffnung, in der Kreativität? Das ist für mich Frieden.

Weihnachten steht vor der Tür. DAS christliche Friedensfest. Für Abt Nikodemus und seine Brüder sind das auch besondere Tage.
Danach geht die Gemeinschaft von der Dormitio 10 km zu Fuß nach Bethlehem. Sie pilgern in die Geburtskirche, beten dort und legen dann am Geburtsstern eine Riesenrolle ab. Darauf stehen Namen von Menschen aus aller Welt, die man online dort eintragen kann und für die dann am Heiligen Abend gebetet wird. Ich stand da auch schon drauf und das war was ganz Besonderes für mich. Das kann man auch jetzt noch machen auf dormitio.net/weihnachtsaktion .

Zum Schluss frage ich Abt Nikodemus Schnabel, was für ihn Weihnachten bedeutet - gerade in diesen Zeiten.

Ich glaube, dass an Weihnachten Gott Mensch wurde, einer von uns. Und eben nicht in einem Palast, nicht privilegiert, sondern er wurde Mensch mit all dem, was Mensch sein auch bedeutet, an Leid, Schmerz, Trauer, Verlust, Angst, Sorge.
Und für mich ist die große Botschaft von Weihnachten in all dem, was wir als Menschen tagtäglich erleben, das was uns anflutet in unserem Menschsein, dass das Gott vertraut ist, dass Gott darum weiß, und dass er das alles heilen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41190
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