SWR Kultur Zum Feiertag

25DEZ2024
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Ich spreche heute, am ersten Weihnachtstag, mit Dr. Fabian Freiseis. Er arbeitet beim Erzbistum Freiburg und er ist Vizepräsident des Vereins „Kinderhilfe Bethlehem“. Und dieser Verein wiederum ist Träger des Caritas Babyhospitals in Bethlehem. Einer Einrichtung, die ein echter Segen ist für diese gebeutelte Region. Herr Freiseis, wie kam es damals überhaupt dazu, dass dieses Krankenhaus im Westjordanland entstanden ist?

 

Die Gründungsgeschichte, ist vor allem mit dem Namen Hedwig Vetter, das war eine Schweizer Kinderkrankenschwester, und Dr. Antoine Dabdoub verbunden. Beide haben nach der Staatsgründung Israels gesehen, dass es in Bethlehem eine Anlaufstelle braucht für Kinder und deren Mütter vor allem, aber auch deren Familien. Und sie haben dann eben angefangen, eine Tagesklinik aufzubauen, wo man einfach hingehen konnte, wenn Kinder krank waren. Caritas Deutschland hat 1952 dann den Gründer des späteren Vereins geschickt, Pater Ernst Schnydrig. Das Babyhospital war erstmal eine Babypraxis zum niedrigschwelligen Herangehen, und wurde dann einziges Kinderspital im Westjordanland mit beinahe 50.000 Behandelten.

 

Nun heißt das Haus ja „Caritas Baby Hospital“, oder kurz „CBH“. Genau genommen ist es aber keine Einrichtung, die der Dachorganisation Caritas gehört. Das klingt ja etwas verwirrend.

 

Der Deutsche Caritasverband, der Schweizer Caritasverband sind Gründungsorganisationen des Vereins. Und das kommt einfach daher, dass, wie gesagt, Hedwig Vetter aus der Schweiz kam, vom Schweizer Caritasverband, und Pater Ernst Schnydrig war beim Deutschen Caritasverband angestellt. Und so kommt die Nähe zu diesen Mitgliedsorganisationen und auch die Nähe zum Namen Caritas. Und das ist auch, was für die christliche Nächstenliebe in der Region steht. Denn das Hospital liegt nicht nur an der Caritas Road, sondern viele Menschen, auch Muslime, sagen: We go to the caritas.

 

Gibt es denn über den medizinischen Aspekt hinaus etwas, dass dieses Krankenhaus ganz besonders auszeichnet?

 

Uns ist es wichtig, dass das CBH in der Gemeinschaft vor Ort lokal verankert ist. Das gesamte Executive Committee, also die ganzen leitenden Angestellten des Hospitals, sind allesamt Palästinenserinnen und Palästinenser, kommen aus Bethlehem oder den Dörfern, Städten in der Nähe von Bethlehem. Das ist schon noch mal eine Besonderheit, dass eben nicht Menschen aus aller Herren Länder oder aus den Geberländern vor Ort das Sagen haben, sondern dass man auch als Vorstand des Trägervereins in intensivem Austausch mit den Verantwortlichen vor Ort nach den besten Lösungen sucht. Das halte ich schon für ein ganz großes Alleinstellungsmerkmal.

 

Das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern ist extrem angespannt. Welche Rolle spielt Herkunft oder Religion für die Arbeit im Krankenhaus?

 

Die Grundlage ist das relativ einfache Recht aller Kinder auf medizinische Versorgung. Das richtet sich nicht an Christen oder Muslime oder Juden, sondern es richtet sich erst mal an Kinder, die verletzlich sind, die zu den vulnerabelsten Gruppen überhaupt gehören. Diese vulnerable Gruppe steht ohne Ansehen der Ethnie, der Herkunft, der Religion im Zentrum der Arbeit. Und das wird auch gelebt im Alltag. Und es gibt einen intensiven Austausch in Zeiten, die besser sind, zwischen israelischen Krankenhäusern und dem Caritas Baby Hospital, weil wir beispielsweise keine Operation am offenen Herzen anbieten, oder ähnlich für schwerwiegende Fälle einfach nicht gerüstet sind. Da steht der Mensch im Mittelpunkt und das Wohl des Menschen, das Wohl des Kindes.

 

Beeinflussen die politischen Verwerfungen zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde denn auch die Arbeit am Krankenhaus?

 

Grundsätzlich gilt, dass sich das Caritas Baby Hospital, wenn es jetzt um die Politik geht, politisch neutral verhält. Denn die Kinder kümmern sich nicht drum, auf welcher Seite man steht. Sie brauchen Behandlung. Und in den Krisenzeiten, die wir momentan haben, wird dennoch darauf geachtet und wird alles versucht, dass auch die Überstellung nach Israel funktioniert. Kurz nach den Terrorangriffen vom 7. Oktober und den folgenden Tagen war das nicht möglich. Da waren die Grenzübergänge gesperrt. Das ist aber mittlerweile wieder möglich, auch die Grenze zu übertreten, wenngleich man auch bemerkt, dass es härtere Einschränkungen gibt seitens der israelischen Regierung für diese Grenzpassierung von kranken Kindern.

 

Wir haben ja schreckliche Bilder aus Gaza gesehen. Auch Krankenhäuser, die völlig zerstört waren. Haben die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Bethlehem Angst, dass so etwas dort ebenfalls geschehen könnte?

 

Ja, die Hauptsorge ist, dass die Situation im Westjordanland ein Stück weit in Vergessenheit gerät und dass im Schatten dieses Gazakrieges Fakten geschaffen werden durch die israelische Regierung. Und da gibt es schon große Sorgen, dass es zur Schaffung von Fakten kommt und eine Annexion stattfindet. Es gab ja auch die Situation in den zurückliegenden Monaten, dass es auch sogar Einsätze von Kampfjets gab, die Stellungen angeflogen haben. Die Situation der Mitarbeitenden vor Ort ist schon auch von einer großen Angst geprägt, wenngleich auch dieses neue Hoffnungszeichen, das wir jetzt setzen konnten, mit dem Spatenstich des Neubauprojekts am 4. November auch wiederum so ein Zeichen ist für eine bessere Zukunft für die Menschen in der Region, gerade in diesen Zeiten.

 

Worum geht es da konkret?

 

Es gibt im Westjordanland keine Tageschirurgie, wo einfach Routineeingriffe, Mandeloperation, Hernienoperation etc., wo die vorgenommen werden können. Diese Tageschirurgie würde ein Angebot geben, was von den Menschen dringend benötigt wird, um eben gerade auch in diesen Krisenzeiten, wo manchmal auch das Passieren längerer Strecken von Checkpoints nicht möglich ist, um vor Ort eine Möglichkeit zu haben. Die Hoffnung ist, dass das in ungefähr zehn, elf Monaten dann steht, dass dann der Innenausbau beginnen kann. Und dann geht es um die medizinischen Gerätschaften, um die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Infektionsschutz usw. und so fort. Dass man dann so Ende 2025, Anfang 26 hoffentlich die ersten Kinder auch dort therapieren kann. Und darauf freuen wir uns sehr.

 

In der westlichen Kirche feiern wir heute das Weihnachtsfest. Wird auch im Hospital gefeiert?

 

Weihnachten wird auch im Hospital gefeiert. Wir haben dort indische Schwestern, die auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dann einen Weihnachtsbaum schmücken. Es gibt einen Gottesdienst, auch für die Mitarbeitenden, nach Möglichkeit von Patriarch Pizzaballa gefeiert, wo es einfach auch eine enge Beziehung gibt. Und wir sind auch sehr dankbar, dass die indischen Schwestern diesen christlichen Geist im Hospital auch einbringen. Und umgekehrt sind auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr dankbar für diese Präsenz von indischen Schwestern.

 

Weihnachten ist ja ein Fest, auf dem jedes Jahr viele Hoffnungen ruhen. Auf Frieden, auf eine gute, von Gott gewollte Zukunft. Ich nehme an, das gilt jetzt besonders auch dort in Bethlehem.

 

Weihnachten ist ein Fest, das uns zurückblicken lässt, aber auch vorausahnen lässt in dieser auch von den Engeln verkündeten Friedens und Hoffnungsbotschaft. Und das wünschen wir als Verein allen Kindern, vor allem der gesamten Region. Es ist gerade keine Freude, als israelisches Kind unter Raketenbeschuss in Sderot zu leben. Es ist keine große Freude, als Kind im Gazastreifen leben zu müssen oder in Bethlehem oder in Hebron. Und da glaube ich, dass es auch an diesem Weihnachtsfest gilt zu beten, sich mit Gott, aber auch mit den Mitmenschen in Verbindung zu bringen und zu fragen: Wie können wir Zivilgesellschaft dort unterstützen, damit eben auch vor Ort in Bethlehem in der Region Friede geschaffen werden kann.  

 

Wenn wir zum Schluss nochmal auf das Caritas Baby Hospital schauen. Was könnte uns diese Einrichtung in Bethlehem vom Geist der Weihnacht erzählen?

 

Es zeigt einerseits, dass dieser Friede und diese Hoffnung auf Frieden, auch 2000 Jahre später noch zur Veränderung führt. Dort wirkt diese Idee in der Hoffnungslosigkeit und schafft Frieden. Zugleich wird man aber auch sagen dürfen, dass schon auf den weiteren Verlauf dieser Geschichte, die Gott mit uns Menschen durch seine Menschwerdung teilt, dass darauf auch schon verwiesen wird, weil wir eben leben: Es gibt weder Juden noch Griechen, weder Sklaven noch Freie. Die Kinder sind vor dem Angesicht Gottes alle gleich, mit gleicher Würde ausgestattet. Und diese große Vielfalt in der Menschlichkeit, in der Humanität, das ist auch noch mal ein Aspekt, der sich von Weihnachten das ganze Jahr über durchzieht in dem Caritas Baby Hospital als Ort der Menschlichkeit.

 

Herr Freiseis, ich danke Ihnen für Ihre Zeit.

 

https://www.kinderhilfe-bethlehem.de/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41189
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