SWR Kultur Wort zum Tag

11DEZ2024
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„Die Nacht ist vorgedrungen – der Tag ist nicht mehr fern – So sei nun Lob gesungen – dem hellen Morgenstern“ – so beginnt eines meiner liebsten Adventslieder. Noch ist es ganz dunkel, morgens, wenn ich zur Arbeit gehe. Doch ich sehe aus manchen Fenstern einen Weihnachtsstern leuchten. Oder eine angestrahlte Krippe. Zeit, den Morgenstern zu loben – Jesus Christus, der alle Finsternis erhellt.

„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“: Jochen Klepper hat diese Zeilen gedichtet, 1938. In einer Zeit, die er selbst wie eine tiefe Nacht erlebt hat. 1903 wurde er als Pfarrersohn geboren und hat dann selbst Theologie studiert. Schon damals ist er ein Außenseiter, nicht nur, weil er unter Asthma leidet. Eine schwere Nervenkrise zwingt ihn, das Studium abzubrechen. Er wird Journalist und Rundfunkassistent.

Dann kommen die Nazis an die Macht, und Jochen Klepper verliert seine Anstellung. Denn er ist seit 1931 mit Johanna Stein verheiratet, einer Jüdin, die zwei Töchter mit in die Ehe bringt.

Er arbeitet als freier Schriftsteller und schreibt vor allem Texte für geistliche Lieder. Texte, die sich der Dunkelheit entgegenstellen, die seine Zeit prägen. „Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein – der Morgenstern bescheinet – auch deine Angst und Pein.“ Während die eine Tochter nach England ausreisen kann, wird der entsprechende Antrag für seine Frau und die andere Tochter abgelehnt. Ein letztes Mal macht sich Jochen Klepper auf und geht persönlich zu Adolf Eichmann, um die Ausreise zu erwirken. Doch er kehrt unverrichteter Dinge zurück. Da beschließt Jochen Klepper, mit seiner Frau und der Tochter gemeinsam aus dem Leben zu scheiden, am 11. Dezember 1942. Er schreibt in sein Tagebuch: „Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott. Wir gehen in der Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“

Ich hoffe, dass für Klepper gilt, was er selbst im dritten Vers seines Adventslieds geschrieben hat: „Beglänzt von seinem Lichte – hält Euch kein Dunkel mehr. Von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“ Mich lassen diese Zeilen getrost in den Tag starten. Egal, ob mich am Morgen eine äußere oder eine innere Dunkelheit bedroht – Gott wird mit seinem Licht mein Leben erhellen. Es ist Advent.

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