Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ich bin kein abergläubiger Mensch. Ich glaube nicht, dass meine Schritte und Gedanken haarklein von einer höheren Macht gelenkt werden. Ich halte aber auch nichts vom Zufall; als ob alles, was geschieht, beliebig wäre, und ich ein Spielball höherer Mächte, die sich nicht für mich interessieren. Irgendwo dazwischen bewegt sich mein Glauben. Zwischen Zufall und Fügung.
Ich rufe eine Freundin an, weil ich direkt davor etwas im Radio gehört habe. Es hat mich an ihren verstorbenen Mann erinnert, den ich einst beerdigt habe. Und sie sagt, dass sie im Moment begonnen hatte, eine E-Mail an mich zu schreiben. Gedankenübertragung. So was passiert mir immer wieder. Als ob es eine innere Verbindung zwischen anderen und mir gäbe, so eine Art unsichtbare Schnur, deren Berührung etwas in mir auslöst und im anderen auch, sobald einer daran zieht.
Noch einmal: Für mich ist das keine Zauberei. Ich kann das auch nicht bewusst herbeiführen. Es passiert einfach hin und wieder. Dann aber löst es ein unheimlich schönes Gefühl aus, wenn ich spüre, dass ich mit einer Freundin, einem anderen Menschen verbunden bin. Es tut mir gut zu wissen, dass da etwas ist, dass mich eng mit Menschen verbindet, die mir wichtig sind. Und dass das hält, auch wenn wir uns lange nicht gesehen haben oder Hunderte von Kilometern voneinander entfernt leben.
Mir sind diese Verbindungen heilig. Weil sie über das hinausgehen, was wir in der Hand haben. Wir können nichts dafür oder dagegen tun. Es passiert einfach. Und ich glaube, dass ich dabei auch Gott nahe komme. Als ob er in dieser unsichtbaren Verbindung drin steckt. Nur bemerke ich das meistens nicht, weil Gott in dem Getue und Gemache meines Lebens allzu oft untergeht.
Ruhe hilft mir, diese zarten Verbindungen mit anderen überhaupt zu bemerken, Schweigen, Alleinsein; wenn es mir dann doch gelingt, es mit mir auszuhalten, mich nicht abzulenken. Ein Spaziergang hilft mir, am besten nachts, am Waldrand. Eine Tasse Tee im Sessel und die Gedanken schweifen lassen, Erinnerungen hervorholen, Bilder, Gesichter. Und manchmal, ohne dass ich damit rechne, spüre ich für ein paar Augenblicke jenes besonders starke Band zwischen einem anderen und mir. Das ist dann pures Glück.
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