SWR1 3vor8

08DEZ2024
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Orte, an die man sich manchmal hinwünscht, heißen „Sehnsuchtsorte“. Das kann ein Sandstrand am Meer, eine Berghütte oder die gemütliche Bar in der Nachbarschaft sein. Zu einem Sehnsuchtsort gehört für mich, dass ich dort dem entfliehen kann, was mich belastet. Dort fühle ich mich aufgehoben und leicht.

In biblischen Texten ist die Stadt Jerusalem so ein Ort. Heute ist davon in katholischen Gottesdiensten zu hören. Der Abschnitt aus dem Buch des Propheten Baruch beschreibt Jerusalem als eine Frau, die ihre alten Kleider ablegen und neue anlegen soll. Ganz poetisch heißt es: „Leg ab, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und deines Elends, und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die Gott dir für immer verleiht! Leg den Mantel der göttlichen Gerechtigkeit an; setz dir die Krone der Herrlichkeit des Ewigen aufs Haupt! Denn Gott will deinen Glanz dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel zeigen.“ (Bar 5,1-3)

Jerusalem als ein Sehnsuchtsort, wo einmal alles gut sein wird. Und das, obwohl die Stadt nicht nur heute, sondern auch zu biblischen Zeiten oft heftig umkämpft und sogar mehrmals zerstört wurde. Das haben auch die Menschen zur Zeit des Propheten Baruch am eigenen Leib erfahren. Und die schwere Zeit steckt ihnen noch in den Knochen. Aber – und davon spricht der Prophet Baruch – es wird anders werden. Weil Gott sie nicht vergessen hat. Er sorgt dafür, dass Jerusalem irgendwann wieder strahlen wird.

Ich glaube, wir Menschen brauchen solche Hoffnungsbilder. Nicht weil ich davon ausgehe, dass Gott alles Unglück mit einem Wisch beseitigt. Aber mir tut es gut, wenn ich von solchen Hoffnungsbildern höre – gerade jetzt im Advent. Sie erinnern mich daran, dass es unter dem, was schwer auf mir lastet, immer auch glänzt. Ein Glanz, den Gott in jeden Menschen gelegt hat. Und diesen gilt es zu suchen und freizulegen. Dann wird das Leben nicht nur an irgendeinem Sehnsuchtsort heller und schöner, sondern auch da, wo ich gerade bin.

Äußerlichkeiten, wie ein schickes Oberteil oder glänzender Schmuck, können dabei helfen. Doch noch besser gelingt das, wenn mich jemand ermutigt, mich nicht unterkriegen zu lassen, weil wir das gemeinsam schon hinbekommen. Oder wenn jemand wirklich versucht zu verstehen, wie es mir geht und mir dadurch zeigt, dass ich ihm wichtig bin. In solchen Momenten, kann ich den Glanz erahnen, mit dem Gott mich und die Menschen um mich herum ausgestattet hat.

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