SWR1 Begegnungen

01DEZ2024
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Susanne Niemeyer copyright: Susanne Niemeyer

Caroline Haro-Gnändinger trifft die Autorin Susanne Niemeyer.

Sie schreibt kurze Geschichten auch für Adventskalender. Sie erzählt mir, wie sie sich für den Kalender in diesem Jahr eine Szene vorgestellt hat mit den Eltern von Jesus in der Bibel, Maria und Josef: Wie hat sich das wohl angefühlt – so in einem Stall im Stroh? Ganz ohne jede Krippenromantik:

Und natürlich: Maria ist schwanger. Das ist alles nicht das Tollste. Es ist zugig, es piekst, es gibt Spinnen. Ach, es ist alles nicht so, wie es geplant war.

Nicht gemütlich also. Und das passt für sie generell zu dem, was vor 2000 Jahren passiert sein soll. Dass Gott als kleines Kind auf die Welt gekommen ist. In einem Stall, ohne richtige Unterkunft.

Niemand ist da, der einen, der einen reinlässt. Alles ist belegt, also auch, dass es heute auch eine dramatische Vorstellung und dann bleibt nichts übrig, als irgendein Stall zu nehmen und es ist garantiert kalt. Es stinkt garantiert. Es ist trostlos. Und dann, glaube ich, gibt es Trost, weil Menschen kommen, also weil die Hirten kommen und weil die Könige kommen, weil Leute da sind. Ich glaube, das bringt die Wärme da rein.

So eine Wärme von anderen – das braucht es auch heute, findet sie. Und sie erzählt mir, was ihr Wärme gibt. Nämlich die sogenannte Wohnzimmerkirche – gibt’s mehrmals im Jahr in Hamburg, wo sie lebt, auch im Advent:

Da machen wir die Kirche zum Wohnzimmer. Also wir haben Sofas und Stehlampen, und wir singen zusammen, wir reden ganz viel zusammen, wir essen zusammen. Und da habe ich wirklich das Gefühl von okay, hier ist Gemeinschaft, wir gehen wieder auseinander, aber ein bisschen verwandelt. immer eine sehr innige, intensive Stimmung mit ersten Weihnachtsliedern, aber auch mit Pop Liedern. Also wenn man auf einmal „Fix You“ singt im Kerzenschein, dann ist es sehr, sehr besonders.

„Fix You“, ein Lied von der Band Coldplay. Ich mag’s sehr, aber hab‘ ich das richtig verstanden: Für sie ist es ein Adventslied?

Weil es darum geht, was Zerbrochenes zu reparieren, klingt zu technisch, aber zu heilen, zusammenzuflicken. Vielleicht deshalb finde ich, ist es auf jeden Fall ein Advents Song. Er hat was Gebrochenes und ich finde, darum geht es bei Adventsliedern, dass es dunkel ist, aber irgendwo gibt es kleine Lücken, durch die das Licht durchkommt.

Gott ist also gerade auch da, wo es im übertragenen Sinn dunkel und kaputt ist. Und will es ganz machen. Wenn es jetzt im Winter auch draußen dunkel ist, wird ihr das besonders klar:

Ich finde es so eine geheimnisvolle Jahreszeit. Also nach wie vor finde ich, dass ich glaube, dieses Kindheitsmoment von: Es wird irgendwas kommen und es gibt Überraschungen und es ist alles ein bisschen mit Neugier getränkt. Ich glaube, das habe ich immer noch in meiner Seele.

Ich treffe Autorin Susanne Niemeyer. Bei ihr steht jetzt im Advent ein Adventskalender mit kleinen Überraschungen von ihrem Freund. Und sie stellt sich schon eine Weihnachtskrippe ins Fenster.

Das ist für mich sehr besonders, weil ich nicht mit Krippen aufgewachsen bin und damit eigentlich auch nicht viel anfangen kann. Aber jetzt habe ich eine ganz schlichte Krippe, in der es vor allem Tiere gibt. Die Tiere strahlen Wärme aus. Und da haben es Maria, Josef und das Baby gut. Und diese Krippe stelle ich tatsächlich auf, die ist nicht angemalt, die ist ganz modern. Die steht auf einer weißen Fensterbank mit ein paar Kerzen. Und wenn ich diese Kerzen anzünde und ein bisschen so die Schattenspiele sehe - das, finde ich, ist ein guter Ankerpunkt für mich.

Sie nimmt sich immer wieder vor, ganz früh morgens eine Weile lang da zu sitzen, mit Kerzenschein und Stille. Und manchmal klappt es. Wenn sie auf die Krippe schaut und an die Notunterkunft denkt von Josef, Maria und Jesus, fragt sie sich auch, was ihr eigentlich Heimat gibt.

Ein großer Teil von Heimat, von dem Gefühl von: Okay, hier darf ich sein, hier kann ich sein, habe ich einen Ankerpunkt, sind Menschen. Ich glaube, wir brauchen Verbündete. Und ich glaube wirklich, in dieser Zeit brauchen die noch viel mehr. Also Menschen um uns herum, bei denen wir wissen, die meinen es gut mit uns, mit denen können wir reden, mit denen können wir auch streiten. In allem Respekt. Und die zuhören, mit einem lachen und einfach da sind.

Susanne Niemeyer begleitet übrigens viele Menschen jetzt im Advent, über ihre Texte. Die stehen in Adventskalendern und Büchern, sind ungewöhnlich und überraschen auch mich. Meinen Alltag und was ich so glaube, mal von einer ganz anderen Seite anzuschauen, darum geht‘s.

Mir hilft es, mir vorzustellen, wie es wäre, wenn Gott jetzt hier säße, wenn er jetzt der dritte oder vierte in der Runde wäre, was es verändern würde und das versuche ich mir vorzustellen, wo auch immer ich bin.

Ja, was würde es denn ändern? In ihren Texten spenden Menschen dann einander Trost. Bekommen Mut und schließen Frieden. Und sie nutzen ihren freien Willen. Susanne Niemeyer schreibt zum Beispiel über Maria. Ein Engel sagt ihr ja, laut Bibel, dass sie Gottes Sohn zur Welt bringen soll. Ob das so einfach für die junge Frau war?

Man muss sich ja klar machen, in welcher Zeit diese Geschichten aufgeschrieben worden sind. Das ist ja in einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft geschrieben. Und ganz oft wird ein Gottesbild transportiert von einem Herrn, der einfach bestimmt. Und das ist nicht mein Bild von Gott. Ich glaube so ist Gott nicht.

Sie findet: Gott respektiert den freien Willen der Menschen. Deshalb lässt sie in ihrer Geschichte Maria und Gott miteinander diskutieren. Gott bestimmt nicht einfach, dass Maria schwanger wird, sondern am Ende sagt sie ganz bewusst Ja dazu. Susanne Niemeyer schaut bei biblischen Texten einfach genau hin. Ihr bedeutet sehr viel, was an Weihnachten passiert ist:

Da geht es nicht um die starken Männer. Es geht nicht darum, den anderen zu zeigen, wer der Größte ist, sondern es geht tatsächlich um den Kleinsten oder die kleinste Person. Und wie was ganz Kleines groß werden kann und was ganz Zartes auch, und dass es um Mitgefühl und Vertrauen geht und um Miteinander.

Sich das wieder mehr klar machen, das möchte auch ich, besonders jetzt im Advent.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41151
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