SWR4 Abendgedanken

04DEZ2024
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Still zu sein ist gar nicht so einfach. Eine Bekannte hat mir vor kurzem lächelnd erzählt, dass sie maximal fünf Minuten am Stück schweigen kann. Mehr kriegt sie einfach nicht hin. Ich hab zurückgelächelt und gefragt: „Und wie wäre es mit einer Woche?“ Sie hat mich dann mit großen Augen angeschaut. Für sie unvorstellbar. Das hört sich jetzt so an, als wäre still sein für mich ganz einfach…ist es nicht. Trotzdem gehe ich immer wieder mal ein Woche in ein Kloster, um zu schweigen. Obwohl ich sehr gerne rede und manchmal sehr viel. Einige Freunde von mir glauben bis heute nicht, dass ich eine Woche wirklich die Klappe halten kann. Trotzdem tue ich es. Im Idealfall einmal im Jahr.

Warum? Schweigen kann ja sehr unangenehm sein. Wenn ich mich zum Beispiel mit jemandem unterhalte und plötzlich keiner von uns beiden mehr etwas zu sagen weiß. Oder wenn ein lieber Mensch verstorben ist und mir jedes Wort falsch vorkommt.

Andererseits kann nichts zu sagen auch sehr wohltuend sein. Manchmal komme ich nach einem vollen Tag nachhause und bin froh niemanden mehr sprechen zu müssen. Und ein paar Tage in einem Kloster das Handy ausgeschaltet zu lassen, kein Internet, und keine Gespräche - das kann sehr gut tun.

Eine Kollegin von mir hat einmal gesagt, dass solche Tage helfen, um zärtlicher zu werden. Mir gefällt der Gedanke. Schweigen und Stille helfen, mal einen Schritt aus dem Alltag herauszutreten. Dann darauf zu achten, was mich beschäftigt, wenn nicht unentwegt etwas auf mich einprasselt. Dass ich dadurch sensibler auf mich und meine Umwelt hin werden kann. Oder, wie sie es vielleicht sagen würde: Zärtlicher auf mich und meine Umwelt hin. Vielleicht auch auf Gott hin.

Mir ist klar: Nicht jeder hat Zeit und Muße, ein paar Tage lang zu schweigen. Doch ab und an, nur ein wenig, das hilft mir auch schon. Für mich ist der Advent dafür eine gute Gelegenheit. Ich habe mir vorgenommen, in jeder dieser vier Wochen vor Weihnachten einen Abend freizuhalten. Dabei dann mindestens eine halbe Stunde zu schweigen und einige Menschen in den Blick zu nehmen:  Den guten Freunde, der krank ist. Ich hab mich vor lauter Arbeit so lange nicht bei ihm gemeldet. Ich werde ihm eine Karte schreiben. Und diesen Kollegen über den ich mich zu oft ärgere. Ich möchte eine Zeit über ihn nachdenken und für ihn beten. Vor allem das in den Blick nehmen, was er gut macht.

Dadurch soll der diesjährige Advent mir helfen, ein wenig zärtlicher zu werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41119
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