SWR4 Abendgedanken
Wir haben bei uns in der Hochschulgemeinde eine Feedbackbox. Das ist ein kleiner Briefkasten, in den die Studierenden nach unseren Veranstaltungen Feedback abgeben können, einfach eine Rückmeldung.
Das ist echt super, weil wir so gleich wissen, wie es den Teilnehmern gefallen hat und hoffentlich besser werden.
Die Sache hat nur einen Haken, und der hat sich neulich in einer Sitzung gezeigt.
Es hat für eine Veranstaltung viel Lob und ein paar Verbesserungsvorschläge gegeben; und über Letztere haben wir hitzig diskutiert, was nächsten Mal anders gemacht werden müsste. Bis eine Studentin sich gemeldet hat und sagte: „Hey, der Abend war wirklich schön und gelungen. Aber ich hab jetzt das Gefühl, dass wir ihn schlecht reden. Das war er doch nicht…schlecht.“ Typisch: Über das Lob sind wir nur schnell drüber gegangen. Aber in den Verbesserungsvorschlägen haben wir uns völlig verzettelt. Das liegt in der Natur der Sache. Beim Guten muss ich nichts verändern, da gibt’s ja nichts zu diskutieren. Beim anderen natürlich schon. Aber ich habe oft den Eindruck: Wir wollen auch was zum Besprechen haben und dann kann es schon mal vorkommen, dass man aus der berühmten Mücke einen ziemlichen Elefanten macht. Die Dinge schlechter redet als sie waren.
Und dieses Schlechtreden geschieht nicht nur in unseren Sitzungen. Ich habe den Eindruck: Das passt gerade zu unserer gesellschaftlichen Grundstimmung. Egal, was politisch entschieden wird oder was die Regierung sagt. Über das Gute wird wenig gesprochen und über das Schlechte dafür umso mehr. Klar, mit guten Nachrichten bekommt man auch keine Schlagzeilen. Aber es gibt sie. Die guten Nachrichten.
Und bei mir fangen sie an. Ich muss sie nur sehen. Wenn mich zum Beispiel morgens jemand auf dem Weg zur Arbeit anlächelt, dann freut mich das, aber ist auch schnell wieder vergessen. Wenn ich dagegen eine Kleinigkeit falsch gemacht habe, dann grüble ich den restlichen Tag darüber nach, weil ich nicht möchte, dass mir sowas nochmal passiert.
Damit ich aber nicht nur an dem hängen bleibe, was nicht gut lief, schließe ich jeden Abend, kurz vor dem ins Bett gehen, die Augen und versuche mich daran zu erinnern, was heute gut war. Das kann so ein Lächeln auf der Straße gewesen sein, aber genauso einfach etwas Leckeres, das ich gegessen habe oder, wenn etwas heute gut geklappt hat.
Denn ich möchte nicht nur aus meinen Fehlern lernen und mich mit diesen beschäftigen. Ich will auch lernen, dass Gute mehr zu sehen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41118