SWR Kultur Wort zum Tag

30NOV2024
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Der erste Advent steht vor der Tür. Der neblige und dunkle November geht zu Ende und die Adventslichter machen in Dörfern und Städten die dunklen Nächte heller. Zurzeit geschieht das für mich in einer besonderen Weise. Denn in der Hochschulgemeinde in Mainz sammeln Studierende im Wintersemester bei allen Veranstaltungen und Andachten Lichtgeschichten und Menschen, die für andere ein Licht in die Dunkelheit bringen. Ganz so wie es Jesus getan hat. In einer Veranstaltung haben wir zum Beispiel Freiwillige eingeladen, die Geflüchtete ehrenamtlich begleiten und unterstützen und sich ihre Fluchtgeschichten anhören.

Einer von ihnen ist Tim. Er setzt sich für queere Geflüchtete ein, also Lesben, Schwule, Bi- und Trans-Personen auf der Flucht. Er sorgt mit anderen zusammen dafür, dass sie Rechtsbeistand bekommen und einen Asylantrag stellen können und ihr Bedürfnis nach Schutz ernst genommen wird. Denn in den Unterkünften für Geflüchtete werden queere Personen häufig abgelehnt und ausgegrenzt. Sie sind auch dort verbaler und körperlicher Gewalt ausgesetzt, wenn herauskommt, dass sie queer sind. Sie brauchen einen besonderen Schutz, der ihnen von den Behörden oft nicht gewährt wird. Freiwillige wie Tim bemühen sich darum, private Unterkünfte für sie zu finden, sie mit queeren Gruppen zu vernetzen und ihnen auch sonst zur Seite zu stehen. Ganz wichtig: Tim hört den Geflüchteten zu. Er respektiert sie als Personen mit unverbrüchlicher Würde und mit ihrer ganz eigenen Lebensgeschichte. Sie alle haben Beleidigung, Ausgrenzung und Gewalt in ihren Heimatländern erlebt, nur weil sie schwul oder lesbisch lieben oder trans* sind. Sie werden in ihren Heimatländern als Kriminelle verfolgt und aus dem sozialen Leben ausgeschlossen. Von Tim und anderen werden sie endlich respektiert, so wie sie sind.

Auch in den ökumenischen Regenbogengottesdiensten in Mainz feiern wir immer wieder gemeinsam mit queeren Geflüchteten. Sie erzählen von ihren traumatischen Erfahrungen. Wir zünden Kerzen an, hoffen und beten, dass weltweit Respekt und Wertschätzung stärker sind als Hass und Gewalt.

Es ist eine fragile Angelegenheit. So wie jedes Kerzenlicht fragil ist und wieder ausgehen kann, wenn es nicht geschützt wird. In der Adventszeit setzen wir darauf, dass das Licht von Woche zu Woche stärker wird. Wir warten nach biblischer Tradition auf die Geburt von Jesus von Nazareth. Jesus hat ein besonderes Licht in die Welt gebracht und den Menschen damit Hoffnung geschenkt. Hoffnung darauf, dass Menschen friedlich zusammenleben und respektvoll miteinander umgehen.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41101
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