SWR Kultur Wort zum Tag
Sieben Tage lang kein einziges Wort sprechen. Und trotzdem die ganze Woche lang mit anderen zusammen sein. Ob das funktioniert? Ob ich das kann? Ich mache gerade eine Ausbildung zur geistlichen Begleiterin, und die Schweigewoche ist ein Teil der Ausbildung. Gespannt und neugierig bin ich zum wunderschönen Kloster Kirchberg in der Nähe von Sulz am Neckar gefahren.
Und dann der erste Tag: In der Stille sind ganz verschiedene innere Stimmen über mich hergefallen: „Eigentlich muss ich doch noch einen Vortrag schreiben. Eine Kollegin müsste ich noch anrufen und die Andacht für die nächste Woche ist auch noch nicht fertig!“ Diese inneren Mahner und Antreiber haben mich am Anfang der Woche ganz schwindelig gemacht. Erst am dritten Tag konnte ich die Stimmen gelassener wahrnehmen und dann auch wieder ziehen lassen.
Jeden Tag habe ich mich neu darin eingeübt, meine Sinne zu öffnen und in die Stille hineinzuhören. Plötzlich habe ich die Vögel deutlicher gehört, das Rauschen der Bäume im Wind, eine ferne Glocke, Hundegebell, eine fauchende Katze auf der Jagd. Aber auch meine anderen Sinne sind wachsamer geworden. Ich habe langsamer gegessen, mehr gekaut und kräftiger die Zutaten und Gewürze geschmeckt. Blickkontakte, ein Lächeln und andere kleine Gesten zwischen den Teilnehmenden habe ich deutlicher wahrgenommen und war dankbar dafür. Es hat mir so gut getan, einmal Pause zu machen von den Geräuschen und der Vielstimmigkeit des Alltags.
Die Sache mit der Stille ist aber nicht nur einfach. Das habe ich in der Woche auch gelernt. Stille auszuhalten, kann auch anstrengend sein. Wenn ich nicht durch äußere Geräusche abgelenkt bin, bin ich mir selbst und meinen inneren Stimmen ausgeliefert. Es gibt einfach keine Ablenkung. Viele meiner Fragen sind aufgeploppt: „Bin ich gut genug? Hab ich genug Kraft für alle Aufgaben? Werde ich allen meinen Lieben gerecht?“
Mir hilft es zu wissen, dass ich nicht allein bin mit meinen inneren Stimmen und Gefühlen. Ich höre das Echo von alten biblischen Worten: „Fürchte dich nicht. Denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein!“ (Jesaja 43,1). So hat es Gott dem Propheten Jesaja gesagt. Diese Worte sprechen im Kloster aus einer Tiefe zu mir, die in meinem Alltag sonst verschüttet ist.
Das Schweigen ist für mich eine Tankstelle für meine Seele geworden. Klar, nach der Woche habe ich mich auch wieder aufs Lachen und Erzählen gefreut. Mit neuer Kraft und Wachsamkeit für die Stille bin ich wieder in meinen Alltag zurückgekehrt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41099