SWR Kultur Wort zum Tag
Eine internationale Konferenz. Eine Bibelarbeit zum Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Wir sind eine gemischte Gruppe, Männer, Frauen, Menschen aus Tansania, Indonesien, Deutschland. "Was berührt Euch an diesem Gleichnis?", lautet die Frage. Berührt die Geschichte mich überhaupt noch? Ich kenne sie in- und auswendig: Ein Mensch liegt verletzt am Wegesrand, viele gehen vorbei. Einer hält an, kümmert sich, sorgt für den Menschen. Wir schweigen. Dann sagt ein Teilnehmer aus Tansania: „freedom to open the heart“. Die Freiheit, das Herz zu öffnen. Das war es! Das hat es getroffen! Freedom, to open the heart.
Was braucht es, um einem anderen Menschen das zu geben, was er zum Leben oder Überleben braucht? Moralische Grundsätze? Gewiss. Das Wissen darum, dass unterlassene Hilfeleistung, jedenfalls in Deutschland, strafbar ist? Möglicherweise auch das. Eine gute Erziehung? Immer nützlich. Pflichtbewusstsein? Ja sicher. Vor allem aber: Freiheit! Eine innere Freiheit, das Herz zu öffnen. Der Tansanier hat für mich einen Kern der Geschichte mit einem Satz getroffen. Es braucht eine große innere Freiheit, um das eigene Herz zu öffnen.
Leider gibt es viel, was dieser Freiheit im Wege steht. Die Sorge darum, dass das, was mich angeht, zu kurz kommt. Eine Prioritätenliste, die scheinbar Wichtigeres auf die vorderen Plätze rückt. Jede Menge Vorurteile. Oder Gleichgültigkeit. Auf der anderen Seite steht diese große Freiheit, die hilft, das eigene Herz zu öffnen.
Mich hat der Gedanke des Mannes aus Tansania auch deshalb berührt, weil er den Fokus auf das Herz des Menschen setzt, der dem Verletzten hilft. Ich bin fast ein bisschen neidisch auf diesen Menschen. Auf seine Autonomie. So wäre ich auch gerne! Vielleicht hat Jesus diese Geschichte gerade deshalb so erzählt. Eben nicht den moralischen Zeigefinger erhoben, sondern neugierig darauf gemacht, ebenso frei zu sein wie der Barmherzige Samariter. Er macht Lust darauf, das eigene Herz zu öffnen, in aller Freiheit.
Im Rückblick bin ich dankbar für alle Menschen in meinem Leben, die so frei waren, für mich ihr Herz zu öffnen, Eltern, Freundinnen, Lehrer. Die mich überrascht haben, mit ihrer Großzügigkeit und ihrer Nachsicht. Vielleicht fallen auch Ihnen solche besonderen Menschen ein. Diesen Menschen sei an diesem Morgen gedankt und an sie gedacht. Schenke Gott uns allen den Mut und die Lust daran, es auch selbst einmal auszuprobieren. Freedom to open the heart.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41096