Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

26NOV2024
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Ich gehe gern über Friedhöfe, besonders über solche, auf denen es auch noch alte Gräber gibt. Dabei fällt mir immer wieder auf, wie wichtig es den Menschen früher war, dass auf dem Grabstein nicht nur der Name und die Lebensdaten stehen, sondern auch der soziale Stand. Der war so wichtig, dass er buchstäblich in Stein gemeißelt wurde. Bei Männern oft der Beruf oder der Dienstgrad, bei Frauen musste deutlich werden: Sie war die Ehefrau, oder die Witwe oder die Tochter des hier bestatteten Mannes.
Das hat sich inzwischen verändert. Viel wichtiger scheint jetzt, was für eine Persönlichkeit dieser Mensch war, was ihn besonders und originell gemacht hat. Was diesen Mann oder diese Frau unterschieden hat von anderen.
Wenn ich so über einen Friedhof schlendere und die verwitterten Buchstaben entziffere, dann denke ich manchmal: Was sollte einmal auf meinem Grabstein stehen? Was macht mich aus als Person, woran sollte man sich vielleicht nach meinem Tod noch erinnern?
Eines wird mir dann schnell klar: Vieles von dem, was sich gerade wichtig macht und mich und andere oft so beschäftigt, hätte nicht das Zeug dazu, auf dem Grabstein verewigt zu werden. Zum Beispiel „Sie hat jeden Tag 10 000 Schritte geschafft“ oder „Sie konnte eine Szene aus Hamlet auswendig zitieren“ oder „Sie sah mit 80 wie 60 aus“. Die Vorstellung ist so bizarr und dabei so urkomisch, dass sie sofort meine Stimmung hebt. Mitten auf dem Friedhof.
Aber: Welche Spuren möchte ich denn hinterlassen, und welche Botschaft?
„wenn ich
gestorben bin
hat sie gewünscht
feiert nicht mich
und auch nicht den tod (…)
preiset das leben
das hart ist und schön
preiset DEN der ein gott von lebendigen ist“
Das sind nicht meine eigenen Worte, ich habe sie geliehen, von dem geistlichen Schriftsteller Kurt Marti. Ich finde, sie passen zu mir und zu meinem Leben. Und ich hoffe, dass sie irgendwann einmal auch zu meinem Sterben passen werden. Und was danach dann mal auf meinem Grabstein oder über meinem Leben steht, das ist mir nicht so wichtig.

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