SWR4 Abendgedanken
Im November den Himmel träumen. Diesen Satz habe ich vor kurzem irgendwo gelesen. Ich weiß gar nicht mehr, in welchem Zusammenhang das geschehen ist. Aber letztlich ist es auch egal. Denn der Satz und alles, was ich damit verbinde, ist wichtig.
Im November den Himmel träumen. Das geht so gut. Gerade weil der November so dämmrig und nebelig ist. Weil ich den Himmel nicht sehe, kann ich so gut von ihm träumen. Dann stelle ich mir vor wie der Himmel im Sommer ausgesehen hat. Als ich auf dem Erdbeerfeld meinen Korb gefüllt habe. Von diesem Himmel kann ich träumen. Oder auch von dem Himmel, an dem vor kurzem noch die Vögel in V-Formation schreiend gen Süden gezogen sind.
Ich kann aber auch den Himmel träumen, von dem die Bibel berichtet. Von dem neuen Himmel, der irgendwann kommen wird und mit dem eine andere Zeit anbrechen wird. Irgendwann einmal, noch ist es nicht soweit. Und von diesem neuen Himmel kann und will ich auch träumen.
Weil dieser Himmel dann mit einer Erde verbunden ist, die so anders sein wird als die jetzige. Die kommende Erde wird friedlich sein. Ohne Krieg, ohne Streit und ohne Hass. Menschen werden ohne Hintergedanken einander helfen, Herkunft und Geld werden keine Rolle mehr spielen. Und nicht nur unter uns Menschen wird es friedlich sein, auch das Lamm wird beim Löwen liegen.
Und so schaue ich in den Novemberhimmel und träume von einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Und überlege mir dabei, was ich tun kann, damit ein bisschen von diesem Traum schon jetzt spürbar werden kann.
Und während ich noch darüber nachdenke, greife ich zum Telefonhörer und rufe jemanden an, mit dem ich vor kurzem gestritten habe. Es ging um nichts Wichtiges und trotzdem ist seitdem die Stimmung zwischen uns nicht gut. Ein Wort der Entschuldigung kann Wunder bewirken. Und ich könnte endlich mal den Besuch machen, auf den der alte Mann schon so lange wartet.
Vielleicht lädt gerade der November dazu ein, den Himmel zu träumen, weil ich ihn im Nebelgrau so schlecht sehe. Weil ich nicht genau weiß, wie er aussieht, weil er so verhangen ist. Aber ich sehne mich nach diesem neuen Himmel und träume davon. Und manchmal ist er hier ein wenig spürbar. Im Nebel. Ganz still, friedlich und verhangen.
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