SWR3 Gedanken

29NOV2024
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Wer heute in den Abendstunden auf den Straßen unterwegs ist, dem könnte es passieren, dass er hinter einer großen Traube von Radfahrerinnen und Radfahrern landet. Vielleicht einem Dutzend – in manchen Städten sind es sogar Hunderte. Oft sind ein paar Lastenfahrräder dabei, eines davon vielleicht mit einer akkubetriebenen Musikbox, die für gute Stimmung sorgt. Unter den Radfahrenden findet man sportliche Menschen, die normalerweise vermutlich viel schneller unterwegs wären. Es sind Kinder dabei, junge Erwachsene und manchmal auch ungewöhnliche Fahrräder: solche mit ultradicken Reifen oder Hochräder, bei denen man sich immer ein bisschen Sorgen macht, weil sie so wacklig aussehen.

In vielen Städten in Deutschland treffen sich solche Gruppen einmal im Monat – meistens freitags. Das nennt sich Critical Mass, auf Deutsch: kritische Masse.

Diese Aktion ist eine fahrradpolitische Demonstration. Menschen auf Fahrrädern wollen darauf aufmerksam machen, dass die Straßen nicht nur für Autos da sind, sondern auch Platz für Radfahrende bieten müssen. Ich erzähle das aber gar nicht wegen des Anliegens dieser Demos.  Was mich besonders beeindruckt, ist die Art und Weise dieses Protests:

Wann immer ich bisher eine Critical Mass erlebt habe, war die Stimmung positiv. Es ging nicht um Wut oder Konfrontation, sondern um Freude. Eine große Gemeinschaft, die einfach Lust hatte, gemeinsam ein oder zwei Stunden Fahrrad zu fahren. Natürlich gibt es auch genervte Fußgängerinnen und Fußgänger, die wegen der langen Fahrradkolonne warten müssen, bis sie über die Straße können. Oder gestresste Autofahrer, die nach einem langen Arbeitstag hinter den Radfahrenden nur im Schneckentempo vorankommen.

Aber ich habe auch erlebt, wie sich die Teilnehmenden Zeit nehmen, um kurz zu erklären, worum es bei der Critical Mass geht und warum so viele Menschen mitmachen. Oft stoßen sie dabei auf Verständnis. Und selbst, wenn der Ärger bestehen bleibt, ist es trotzdem ein friedlicher, gemeinschaftlicher Protest, der einmal im Monat ein friedliches Zeichen setzt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41070
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