SWR3 Gedanken
Kurz nach der Wahl des neuen Präsidenten in den USA sind auf vielen Social-Media-Kanälen Post mit einem Bibelvers aufgetaucht. Da heißt es: „Jeder Mensch soll sich der Regierung eines Staates unterordnen. Denn es gibt keine Regierung und keine Staatsgewalt, die nicht von Gott gegeben ist.“ Aber ist es wirklich Gottes Wille, dass Donald Trump Präsident geworden ist? Oder wenn es die Gegenkandidatin, Kamala Harris, gewesen wäre? Was ist mit der schrecklichen Vergangenheit in Deutschland, als die Nazis an der Macht gewesen sind? Viele Christen haben es damals abgelehnt, Widerstand zu leisten und haben sich dem Unrechtsregime untergeordnet. Wegen dieses Bibelverses. Aber ich glaube, damit haben sie völlig falsch gelegen und völlig falsch verstanden, was Paulus eigentlich gemeint hat.
Denn: Paulus stellt erst einmal die Machtverhältnisse klar: Gott steht über allem. Auch über dem Präsidenten der USA, oder dem in Russland, China oder sonst wo. Damals bei Paulus hat der Herrscher über das riesige römische Imperium behauptet, sich niemanden unterordnen zu müssen. Zu wissen, dass der römische Kaiser trotz all seiner Macht auch ihrem Gott untergeordnet ist – das war befreiend für die Christinnen und Christen damals. Ja, der Kaiser konnte sie zwingen, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht wollten. Sie mussten den römischen Kaiser wie einen Gott anbeten. Aber dank Paulus wussten sie auch, dass das bei Gott nichts zählt. Was zählt ist, dass wir Christinnen und Christen Gott im Herzen treu bleiben und dass wir uns gegenseitig lieben und respektieren und nicht aufhören, nach Frieden und Gerechtigkeit suchen – egal, was die Mächtigen dieser Welt anderes sagen.
Dass keiner, der Macht hat und Macht haben wird, über Gott steht – das ist etwas, was mir Hoffnung gibt. Meine Hoffnung ist, dass es keine staatliche Macht, keinen Diktator und keinen Präsidenten gibt, die Gottes Liebe ersticken können. Wo Gott ist, ist auch Raum für Liebe.
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