Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ein Freund von mir ist vor mehr als eineinhalb Jahren gestorben. Er hat es gewusst und hat sich vorbereitet und er hat auch mich vorbereitet. Ich sollte die Trauerfeier halten. Und er gab mir mit auf den Weg: „Sag ihnen, sie sollen heute leben!“
Das habe ich gern getan und ich tue es heute, an dem Wochenende, an dem der Totensonntag liegt, der Ewigkeitssonntag, noch einmal und besonders gern. Denn das, was er mir mitgegeben hat, ist aus seinem Glauben gewachsen. Er wusste, dass in der Bibel steht:
„HERR, lehre mich, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss.“*
Ja, es gibt ein Leben nach dem Tod! Das war seine Überzeugung und bei aller Angst vor dem Sterben hatte er keine Angst vor dem Tod. Er war gespannt. Er hoffte, dass er ein paar Antworten auf seine vielen Fragen bekommen würde.
Und zugleich wusste er auch, dass in der Bibel steht: „Genieße froh jeden Tag, der dir gegeben ist!“** – Im Rückblick hatte er wohl den Eindruck, sich manches Mal zu viele Sorgen um Nebensächlichkeiten gemacht zu haben. Zu oft hatte er sich über Kleinigkeiten aufgeregt und manchmal hatte er sich verzettelt in viel zu vielen Aktivitäten, die er dann nicht genießen konnte. Sehr ernsthaft war deshalb seine Aufforderung bei der Trauerfeier zu hören: „Ihr sollt heute leben!“ – „Genießt froh jeden Tag, der euch gegeben ist!“
Er war Handwerker. Durch und durch. Und alles andere als ein mystischer Mensch. Sein Ding wäre es sicher nicht gewesen, immer „im Hier und Jetzt“ zu leben. Er hätte sich über meine Formulierung bei seiner Trauerfeier gefreut. „Es reicht natürlich nicht“ so habe ich gesagt: „das Leben nur im Hier und Jetzt zu suchen. Wenn Vergangenheit vergessen wird, wenn die Zukunft keine Bedeutung mehr hat und alles nur noch Gegenwart ist, dann ist die gängige Bezeichnung dafür nicht Leben, sondern Demenz.“ Nein, er konnte zurückblicken in die Vergangenheit, auf die Höhen und Tiefen. Und er konnte gespannt und ohne Angst in die Zukunft schauen. Und wahrscheinlich ist das der Grund, warum er schließlich im Frieden gehen konnte.
Jetzt, eineinhalb Jahre später, hat das, was er mir als Botschaft mitgegeben hat, nach wie vor eine große Bedeutung. Ich will heute leben. Ich will zurückschauen und dort sehen, wie wichtig solche Freunde für mich sind. Ich will nach vorne schauen und mich freuen, dass wir uns wiedersehen werden. Und dazwischen will ich leben. Heute. Jetzt. Den Tag genießen, den Gott mir gegeben hat.
*Psalm 39,5
**Prediger 11,8