Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Glauben Sie an einen persönlichen Gott? Ein Freund hat mir geschrieben, dass er das schon lange nicht mehr kann. Ein Gott, der das Weltgeschehen lenkt und die Welt sogar geschaffen hat, ist ihm immer fremder geworden. Schon allein, weil dieser Gott immer „der“ Gott ist. Männlich. Warum? Kann man an so einen Gott glauben?
Ja, man kann! Und ich bin versucht, ihm den halben Katechismus in eigenen Worten zu schreiben.
Aber das würde wohl nicht viel helfen. Denn da ist ein tiefer Zweifel entstanden an der Weltsicht der Kirche, in der er aufgewachsen ist. Und wenn ich nicht im Affekt antworte, sondern hinhöre, dann merke ich: Es geht ihm darum, dass es so viel Leid und Ungerechtigkeit in der Welt gibt. Wie kann „der Gott“ das zulassen?
Heute ist mein Freund viel näher am Buddhismus als am christlichen Glauben. Weil ich das ernst nehme, nehme ich ihn mit auf meine spirituelle Reise und erzähle ihm von meiner Erfahrung. Warum? Genau deshalb, weil ich an diesen persönlichen Gott glaube!
Gott zeigt sich, das ist meine Erfahrung. Nach Jahren, in denen ich alles, was ich an christlicher Lehre mitbekommen hatte, in Frage gestellt hatte, nach Jahren habe ich erlebt, dass Gott sich selbst zeigt. Er meldet sich zu Wort! In meiner größten Verlorenheit und Einsamkeit, hat er sich mir persönlich vorgestellt. Ausgerechnet mit all seiner mütterlichen, liebevollen, weichen, ins Leben bringenden Kraft ist er mir begegnet. Es war wie eine Neugeburt. „Die Gott“ hat sich gezeigt. In meinem Leben. Sehr persönlich.
Ja, das kann ich meinem Freund erzählen. Aber das ist nicht seine Erfahrung. Er wird, das ist meine Hoffnung, seine eigene Erfahrung machen. Ich weiß mich da in einer Linie mit Jesus. Der fragte einmal in die Runde der Menschen, die immer an seiner Seite waren, was die Leute so von ihm denken. „Ein faszinierender Lehrer“, sagt einer. „Manche sagen: ein Prophet.“, weiß ein anderer. Und Jesus fragt dann: „Was denkt ihr denn, wer ich bin?“ Und aus Petrus platzt es förmlich heraus: „Du bist der, den Gott geschickt hat, Gottes Sohn!“ – Wo hat er das her? Woher weiß Petrus das? Jesus sagt zu ihm: „Was für ein Glück für dich! Diese Einsicht hast nicht von einem anderen Menschen! Nein, Gott, mein Vater, der über allem thront, hat dir diese Einsicht geschenkt!“*
So geht Glaube an den persönlichen Gott. Gott zeigt sich selbst. Er wird einem nicht eingeredet. Wer ihn sucht, dem zeigt er sich, dieser persönliche Gott. Dann kann man wie ich, nicht nur an seine Existenz glauben, sondern ihm - persönlich - vertrauen.
*Matthäus 16,17
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