SWR3 Gedanken
Es ist eigentlich ein ganz entspannter Freitag-Abend. Ich geh mit meinem alten Freund was Trinken, um mal wieder auf den neusten Stand zu kommen. Erst schwelgen wir in lustigen Erinnerungen, bis mein Kumpel Johannes ein echt schwieriges Thema auspackt. Mit ihm und seiner Partnerin läuft es nicht mehr. Vor zwei Jahren haben die beiden ihr Kind bekommen und mittlerweile arbeiten beide wieder. Jetzt steht sogar schon das Thema Trennung im Raum.
Innerlich zerreißt es mich fast, als ich Johannes zuhöre, weil ich merke, wie er leidet. Dutzende Tipps und Ratschläge schießen mir durch den Kopf. Die beiden könnten zur Eheberatung, oder Johannes besorgt sich dieses gute Beziehungsbuch. Und ich will am liebsten auch erzählen, was meiner Frau und mir immer hilft, wenn es mal schwierig wird. Ich muss mich echt zurückhalten, damit ich Johannes nicht mit all dem Kram zumülle.
Ja, genauso fühlt es sich doch an. Wenn du mit einem Problem kommst und dann kriegst du einen Haufen Tipps um die Ohren geknallt, die dir nur noch mehr das Gefühl geben: Du machst irgendwas falsch – andere wissen es eben besser. Und überhaupt, es liegt doch nur an dir.
Und jetzt sitze ich Johannes gegenüber und versuche das alles zurückzuhalten. Ganz schön schwer. Vor allem, weil es sich so schrecklich machtlos anfühlt, wenn sich im Leben eines Freundes so eine Katastrophe anbahnt.
Es scheint wohl eine der großen Weisheiten des Lebens zu sein: Wenn es dir dreckig geht, brauchst du keine Tipps. Du brauchst ein offenes Ohr und jede Menge Mitgefühl.
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