SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken
Gerade jetzt, wenn die Tage immer kürzer werden, genieße ich jede einzelne Sonnenstunde. Jeden Morgen hoffe ich inständig, dass der Nebel sich verflüchtigt und etwas vom Gold des Herbstes in meinen Alltag leuchtet. Und ich brauche auch noch ein anderes Licht. Ein Hoffnungslicht. Denn dunkel sind nicht nur die Tage, selbst hier bei uns bangen viele um ihren Arbeitsplatz. Da schrumpft die Zuversicht. Ich brauche Hoffnungsbilder!
Heute, am Sonntag, ohne den Alltagsstress geht das leichter. Da sind die Gedanken freier. Frei, um nicht nur die eigenen Grenzen, sondern auch die Möglichkeiten Gottes wahrzunehmen. Oft genügt ein kleiner, heller Punkt am Horizont, um die eigene Hilflosigkeit zu überwinden, ein Licht, an dem ich mich neu ausrichten kann.
Bei mir sind es oft bestimmte Bibelworte. Sie beschreiben zum Beispiel, wie Gott Gerechtigkeit und Frieden, ja himmlische Zustände herbeiführen wird. Ein solches Wort von Gottes Hilfe hat der Prophet Micha vor 2800 Jahren formuliert. Es ist ein ganz wirkungsvolles Bild, und auch bei mir setzt es Hoffnung frei, – obwohl die Umstände heute ganz andere sind.
Micha sagt: Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Ein wunderbares Bild von einer Friedenszeit! Ich sehe den Schmied vor mir, wie er mit kräftigen Schlägen das glühende Eisen formt und Schwerter zu Pflugscharen macht… Wie die Leute aufhören, sich gegenseitig umzubringen und stattdessen gemeinsam das Feld bestellen …
Andererseits frage ich mich: ist das nicht naiv, angesichts der vielen gegenwärtigen Konflikte, einfach unrealistisch, was Micha da vor sich sieht? Wie soll das Wirklichkeit werden? Es passiert doch eher das Gegenteil: Die Kriegsmaschinerie wird aufgebläht; es wird in Rüstung investiert.
Auch Micha hatte diesen Sätzen harte Kritik an den damaligen Zuständen vorangestellt und nichts beschönigt. Micha war Realist. Er meinte also nicht, dass es ab sofort keine Konflikte und keinen Krieg mehr gibt, und schon gar nicht, dass Menschen diese Konflikte und andere Probleme einfach im Handumdrehen lösen könnten.
Nein, so nicht. Das Bild vom Schmied, der aus Schwertern Pflugscharen macht, ist eher eine Vision, die von der Zukunft her denkt. Vom Ziel, das Gott mit der Welt vorhat. Ein Zukunftsbild, das Gottes Willen ernst nimmt, ihn einbezieht. Es ist die Hoffnung, die sehnsüchtig darauf wartet, dass Gott etwas tun und die Dinge wenden wird. Micha glaubt daran. Er ist überzeugt, dass Gott die Dinge heilt. Und von diesem Bild, dass Gott tatsächlich einschreitet, von diesem Ende der Entwicklung her, strömt neue Kraft und Hoffnung in die Gegenwart hinein.
Ich habe gelernt, dass man ein Problem am besten lösen kann, wenn man es von seinem Ziel her betrachtet. Wenn ich klar vor Augen habe, wie das gute Ende aussehen soll, dann kann ich auch die schwierigen Schritte dorthin durchdenken. Viele Dinge scheitern, wenn man wie fixiert auf die Schwierigkeiten starrt, die sich bis zu einer Lösung vor einem auftürmen oder sich im Kleinklein der Problemlösungen verzettelt. Wenn das Ziel aber klar ist, dann kann jeder leichter darauf zugehen.
Diese Sätze habe ich in einem Vortrag gehört. Eigentlich ging es um große Bauvorhaben mit vielen Beteiligten. Und wie man Architekten, die vielen Handwerker, aber auch Bauherren und Planer besser untereinander zu Abstimmungen bringt. Gerade bei schwierigen Vorhaben haben die Projektentwickler die Erfahrung gemacht, dass nicht jeder Beteiligte nur seine Aufgabe und seine Interessen verfolgen sollte, sondern immer auch das große Ganze im Blick behält, alle miteinander ein gemeinsames Zielbild vor Augen haben. So kommt man schneller und besser ans Ziel.
Und ich habe mich gefragt: Ist es mit dem Glauben an Gott nicht ganz ähnlich? Wenn ich mich allein in meine Zweifel und Anfragen vergrabe, dann werden sie oft immer größer. Aber wenn ich mich mit anderen darüber austausche, wenn ich von meinen eigenen Erfahrungen und Hoffnungen berichte, auch einfach mal zuhöre, die Worte auf mich wirken lasse, dann kommt etwas in Gang. Bei mir selbst und bei anderen. Miteinander die Hoffnungsbilder teilen, miteinander vertrauen, sich inspirieren lassen und dann auch mutige Schritte tun, da kommt etwas in Bewegung.
Ich habe schon oft gestaunt, was in Gesprächen über den Glauben alles passiert ist oder in ganz normalen Gottesdiensten. Plötzlich fühle ich mich angesprochen und bin berührt. Oder ich erkenne, wie Gott schon längst am Wirken ist und Neues schafft.
Auch Frieden! In Familien! Zwischen Völkern und Ländern. Auch wichtige Fragen in unserer Gesellschaft, in unserer Welt, die sonst kaum lösbar sind, können neu gesehen, durch Beten und entschlossenes, positives Handeln vorangebracht werden. Und manches löst sich sogar wie durch ein Wunder. Weil Gott wirkt.
Neue Hoffnung wünsche ich Ihnen heute am Sonntagmorgen, und von Herzen Gottes Segen.
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