Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11NOV2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich war auf einer Veranstaltung zum Thema: „Krieg und Frieden aus christlicher Sicht“. Vieles kam zur Sprache: Lässt sich christliche Friedensethik mit Waffenlieferungen vereinbaren? Wie weit geht das Selbstverteidigungsrecht der Völker? Wie können Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden? Die Diskussion verlief ruhig und konzentriert. Unruhe entstand, als ein Teilnehmer Papst Franziskus zitierte. Franziskus hatte sich für Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland ausgesprochen, um den Krieg zu beenden. Das sei ja bodenlos, meinten die meisten: Wie sollen denn Verhandlungen aussehen? Worüber soll denn verhandelt werden? Soll die Ukraine etwa Land für einen Waffenstillstand aufgeben, so dass Putin am Ende mit seinem Überfall doch Erfolg hätte? Und außerdem ist Putin ja gar nicht verhandlungsbereit.

Ich kann diese Einwände nachvollziehen. Derzeit scheinen Verhandlungen kaum vorstellbar.

Zugleich habe ich den Eindruck: wir gewöhnen uns an den Krieg in der Ukraine. Zum einen dauert er schon so lange. Und alles, was lange dauert, bringt gewollt oder ungewollt Gewöhnung mit sich. Zum anderen fordern andere Kriege inzwischen auch unsere Aufmerksamkeit. Der Krieg in der Ukraine ist auf erschreckende Weise einer unter anderen geworden. Kriege werden auf eine zynische Weise alltäglich, wenn nicht gar gewöhnlich. Und schließlich kommt für mich ein Gefühl der Hilflosigkeit hinzu, ich kann ja doch nichts machen, und mein Alltag muss ja auch weitergehen. Dabei kann aus dem Blick geraten, dass ein wirklicher Friede unverzichtbar ist, der mehr ist als das bloße Schweigen der Waffen. Ja, die Voraussetzungen für einen solchen Frieden sind derzeit äußerst gering, politisch ebenso wie militärisch. Und dennoch ist er am Ende alternativlos.

Deshalb halte ich den Ruf des Papstes nach Verhandlungen doch für hilfreich. Er wirft damit einen Stolperstein auf den Weg, auf dem wir vielleicht allzu selbstverständlich immer weiter in Richtung Gewöhnung und Kriegslogik unterwegs sind. Der Papst ergreift nicht Partei für einen der Kriegsgegner. Er ergreift Partei für den Frieden. Und das ist schließlich seine Aufgabe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41014
weiterlesen...